Die Familie hat ihren guten Ruf eingebüßt.

1. März 2011

„Es ist noch nicht lange her, da nannte man die heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen, die Sandwich-Generation, eingeklemmt zwischen den Verpflichtungen gegenüber ihren Eltern und ihren Kindern, wirtschaftlich und seelisch erschöpft. Doch dieser Begriff ist falsch und nur ein weiteres Beispiel für die Egomanie einer Generation.“ … Die ist der 1. Satz des Buches und ich dachte zunächst, dass es ein spannender Auftakt sei. Jedoch: ich wurde enttäuscht, denn mehr und mehr hat mich das Buch zu ärgern begonnen.

Nicht nur, dass sich immer alles um Wirtschaftlichkeit dreht und wie man ein „System“ erhalten kann, es bescheinigt uns (und vor allem unseren Kindern und Enkeln) auch eine mehr oder weniger hoffnungslose Zukunft. Stets ist nur von der „Last auf den Schultern“, der „Doppelbelastung Eltern, eigene Kinder“ usw die Rede. Als ob es im Leben nur darum ginge, dass alles wirtschaftlich abläuft!

Als Mitglied jener egomanen Generation, von der eingangs gesprochen wird, hab ich mir oft gedacht, dass wohl JEDE Generation ihre Chancen und ihre Probleme hatte und es erscheint mir mehr als kurzsichtig, der zukünftigen Generation gleich gar keine Chance mehr einzuräumen. Die Nachkriegsgeneration war bitterarm, aber hatte die große Chance ein Land neu aufzubauen. Die heutigen Generationen kommen in eine Welt, die eigentlich reich ist. Es ist alles da und doch (oder gerade deshalb) wissen viele gleich gar nicht mehr, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen.

Die Themen, um die es in dem Buch geht:
— Es warden signifikant weniger Kinder geboren, die eine merklich älter werdende Gesellschaft zu tragen haben.
— Wer in einem Familienbund lebt, hab mehr „Überlebenschancen“, als jene, die alleine sind.
— Familie ist wichtiger als Freundschaft, weil man die sozialen Leistungen innerhalb der Familie gratis bekommt, Freunde hingegen früher oder später eine Gegenleistung verlangen.
— Frauen haben die soziale Kompetenz Gemeinschaften aufrecht zu erhalten, weil sie auch „Nicht-Familienmitglieder“ in ihre Gruppe aufnehmen. Männer haben nur Interesse daran, die eigene Sippschaft durchzubringen.
— Frauen haben die Fähigkeit Kinder in die Welt zu setzen UND die Familie zu ernähren.
— Früher galt es als Option Kinder oder Karriere; heute müssen diese beiden Bereiche wie selbstverständlich vereint werden.
— Großmütter werden immer mehr zu Ersatzmüttern, weil die Mütter selbst arbeiten gehen (müssen). Gleichzeitig sind die Großmütter jedoch „egoistischer“ geworden (Stichwort: Pensionistenausflüge, Urlaube, etc)
— Um den Kinderwunsch zu wecken, muss man entweder selbst aus einer Großfamilie kommen oder zumindest das Leben mit Kinder vorgelebt bekommen.
— Das Fernsehen ist vielfach schon zum Ersatz für echte Freundschaften geworden.
(Telenovellas, Soaps, etc.)

Auch wenn der Autor von Fakten und Daten spricht, sondern werden diese doch nur von ihm interpretiert und so aneinandergereiht, dass sich ein bestimmtes Bild ergeben, nämlich jenes, dass unsere Gesellschaft auf ein Minimum an Tragfähigkeit geschrumpft ist, weil es zuwenig Kinder gibt, die das System aufrecht erhalten.

Düstere Aussichten also für alle, die auf eine Pension hoffen.

Minimum – vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gemeinschaft
von Frank Schirrmacher, ISBN: 978-3-896672919

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