Vom Echtzeit-Alptraum zurück in die Freiheit

8. Februar 2012

Mathias Illigen sieht sich einer gewaltigen Verschwörung gegenüber. Als angehender Doktorand in Philosophie und angesehener Student des Großphilosophen Peter Sloterdijk sieht er mehr und mehr wahnhafte Bilder und Verknüpfungen, die nur einen logischen Schluss zulassen: die Welt steht am Abgrund, die Apokalypse ist nicht mehr aufzuhalten, die Satanisten haben die Oberhand. Was anfangs noch wüste Vermutungen sind, werden für den Studenten immer mehr zu einer fixen Idee – und alle stecken mit drin! Sein philosophischer Lehrmeister ebenso wie seine Freundin. Schlimmer noch: sein Haus wird überwacht, versteckte Kameras überall und: der Feind offenbart seine hässliche Fratze immer öfter und immer stärker auch auf den Straßen. Zwar hofft er zu Beginn noch in einem Spiel ähnlich der Verfilmung „The Game“ mit Michael Douglas gefangen zu sein. Er hofft auf den erlösenden Sprung, der ihm offenbart, dass alles Lüge ist, doch die Erlösung bleibt aus. Mathias Illigen sieht nur eine Chance: er muss den Papst warnen und um Asyl im Vatikan ansuchen. Es kostet ihn alle Kraft die lange Fahrt nach Rom auf sich zu nehmen, umgeben vom wahrhaft Bösen. Und bitter ist die Enttäuschung, als er an der Pforte zum Vatikan abgewiesen wird. Schließlich bleibt ihm nichts anderes übrig, als seinen Vater anzurufen, und ihn um Geld zu bitten. Und da erst erkennt er das wahre Ausmaß der weltumspannenden Tragödie: sein Vater ist ein Drahtzieher. Mit dieser fixen Wahnvorstellung ausgestattet, macht sich Mathias auf den Weg nach Vorarlberg, wo das Ganze schließlich im Mord an seinem Vater endet.
Das Buch, in der Ich-Form geschrieben, ist ein beklemmendes Zeugnis dessen, was einem der Geist vorspielen kann und welche Folgen das hat. Ein hochintelligenter Mensch begeht einen Mord, weil er sich in einer Welt sieht, die nur aus Abgründen besteht.
Im anschließenden Maßnahmenvollzug nimmt er schließlich den steinigen Weg zurück in die Realität. Bitter sind die Erkenntnisse – alles nur Wahn, nichts davon ist Realität, außer die Tatsache, dass er seinen Vater erschlagen hat.
Nach nur 4 Jahren wird Matthias Illigen unter Auflagen in die Freiheit entlassen. Grund dafür ist eine mustergültige Genesung, die vermuten lässt, dass ein Rückfall ausgeschlossen werden kann.
Zwar fragt man sich als Leser: ist das wirklich so einfach, jedoch – oder gerade wegen dieser Ungewissheit – ist das Buch unglaublich spannend zu lesen. Ein Kompliment auch an den Co-Autor Fabian Burstein, der es geschafft hat, diese Geschichte authentisch und dramaturgisch perfekt zu inszenieren.
Dieses Buch werden jene mit Begeisterung lesen, die um die Problematik von psychischen Erkrankungen wissen.

Ich oder Ich
von Mathias Illigen, ISBN: 978-3-99001035-8

No Comments

Comments are closed.