Der Glaube an etwas lässt einen hoffen, wenn alles andere weggebrochen ist

15. August 2012

Harold Fry und seine Frau Maureen führen ein beschauliches Pensionistenleben in einer Kleinstadt im Süden von England. Gänzlich unspektakulär verlaufen die Tage, die von Gartenpflege und Haushaltsarbeiten geprägt sind. Bis Harold eines Tages einen Brief erhält. Er stammt von Queenie, einer Arbeitskollegin aus frühen Tagen. Queenie verabschiedet sich in dem Brief, sie hat Krebs. Harold ist schockiert. Sein Antwortbrief fällt dürftig aus, und doch will er ihn rasch aufgeben. So macht sich Harold spontan auf den Weg zum nächsten Briefkasten. Doch anstatt stehen zu bleiben läuft er immer weiter und weiter, verlässt die Stadt, wandert über Straßen bis zum nächsten Ort. So werden aus Stunden Tage und aus Tage Wochen, in denen Harold mit nichts als dem, was er am Leib trägt und seiner Geldtasche Kilometer um Kilometer seinem Heimatort entflieht, der ihn ganz offenbar mit einer alten Geschichte erdrückt. Und der Weg zum nächsten Briefkasten wird mehr und mehr eine Reise zu sich selbst.

Rachel Joyce Geschichte ist rührig, mitunter aber auch anstrengend. Die Wegbeschreibungen sind geprägt von einer unendlichen Auflistung von Pflanzen, die am Wegesrand wachsen – nicht jedermans Sache. Auch die Begegnungen mit Menschen sind phasenweise seltsam und für mich unpassend ausgewählt. z.B. Ein schwuler Geschäftsmann, der gerne die Sportschuhe seines Freundes leckt?

Als Harold schließlich bei Queenie im Hospiz ankommt, hat diese nicht einfach nur Krebs, sondern eine Form von Krebs, die das Gesicht entstellt? Warum muss das so sein? Wegen der Dramatik? Ein totkranker Mensch an sich hätte da völlig gereicht, finde ich.

Es gibt Bücher, die einen aufgrund der Geschichte rühren, weil das Schicksal und das, was ein Mensch dann aus seinem Schicksal macht, etwas ergeben, das einen erschaudern lässt … oder hoffen.
Bei dieser Geschichte war ich öfter geneigt, den Kopf zu schütteln, beispielsweise, wenn Harold sich von einer Gruppe Pseudopilger, die sich ihm anschließen, fast von seiner Misson abbringen lässt.

Das Buch wird sicherlich viele Freunde finden, einfach weil die Idee an sich, aus dem Haus zu gehen und loszumarschieren, reizvoll ist. Wer sich von der Story selbst einen Aha-Effekt erhofft, wird enttäuscht sein.

Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry
von Rachel Joyce, ISBN: 978-3-81051079-2

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