Sechs Stildimensionen, die unser Leben bestimmen

29. August 2012

Warum reagiere ich auf Wendungen, die das Leben bringt anders, als ein anderer Mensch? Warum „hänge“ ich in einer Sache drin, während mein Partner spielend mit einer Situation fertig wird? Warum habe ich das Gefühl, dass mein Leben sich in tausend Bestandteile aufteilt und ich kaum noch den Überblick habe? Und warum grüble ich überhaupt so viel nach?

Fragen wie diese waren der Ausgangspunkt des Autors und Forschers, sich dem Thema Emotionen auf eine gänzlich neue Weise zu nähern. Statt wie viele Ratgeber das Heil im Sphärischen zu suchen, hat sich Richard Davidson auf den Weg nach innen gemacht – konkret bis zum Gehirn. Denn – so seine These – absolut alles, was wir fühlen wird dort auf sehr physische Weise produziert. Neuronale Netze verbinden Teile des Gehirns miteinander, denen ganz konrekte Aufgaben – MESSBAR – zugewiesen sind. Der Fluchtgedanke, die körperliche Reaktion, Wut, aber auch gute Gedanken wie etwa Mitgefühl oder Liebe. In gut 20jähriger akribischer Forschungsarbeit mit zahlreichen Feldversuchen hat Davidson letztendlich 6 grundlegende emotionale Stile definiert, in die alle Gefühlsregungen hineinpassen:

  • Resilienz – die Fähigkeit sich schnell oder langsam von belastenden Erlebnissen zu lösen
  • Grundeinstellung – Wie lange können positive Emotionen gehalten werden?
  • Soziale Intuition – Wie empfänglich ist man für die Signale, die Mitmenschen aussenden?
  • Selbstwahrnehmung – Wie präzise werden körperliche Empfindungen erfasst, in denen sich emotionale Befindlichkeiten äußern?
  • Kontextsensibilität – Wie gut gelingt es einem, eine emotionale Reaktion auf den sozialen Zusammenhang anzupassen?
  • Aufmerksamkeit – Wie präzise und klar ist der eigene Fokus?

Wie er zu diesem Ergebnis gelangt ist, ist das grundlegende Thema des Buches. Und so verfolgen wir als Leser seine Forschungsarbeit (Messungen des Gehirns) sehr genau, die mit jeder Seite belegt, wie der Mensch denkt, und was das Hirn daraus macht. Die Frage, ob gewisse Dinge in den Genen veranlagt sind, wird ebenso beantwortet, die wie Überlegung, in wie weit Meditation es schaffen kann, das Gehirn sozusagen neu auszurichten (weg von festen Fahrwassern der Gedanken)

Es würde den Rahmen dieser Rezension sprengen, auf alle diese Fragen im Detail eine kurz Skizzierung der Antworten zu liefern, dazu ist das Thema auch viel zu komplex. Umso erstaunlicher ist es, dass das Buch recht flüssige lesbar und vor allem verständlich ist!

Und einiges, was hier zutage kommt, ist mit Sicherheit revolutionär – so zum Beispiel die Aussage, dass Gene an- und abgeschaltet werden können. Im Original meint der Autor: „Das Milieu triumphiert über die Natur.“ – Das heißt es sich dann wohl verabschieden, von der Aussage: „Ich kann nichts dafür, das liegt in den Genen.“ Vielmehr muss man sich die Gene als Musiksammlung vorstellen. Nur weil wir eine solche Sammlung besitzen, heißt es nicht, dass wir jedes Stück spielen müssen!

Das Buch ist sehr sachlich, aber aufgrund der vielen interessanten Thesen nicht minder emotional. Ein kleiner Selbsttest offenbart übrigens, wo man selbst innerhalb der 6 Stildimensionen gerade steht und macht mitunter klar, dass es höchste Zeit wird, etwas zu ändern. Wie genau diese Änderung vonstatten gehen kann, wir dann im letzten Kapitel erörtert, wenn uns Richard Davidson in die Welt der Meditation entführt und erläutert, welche Auswirkungen sie auf die Aufmerksamkeit an – jener Stildimension, die wohl die am meisten strapazierte in unserer Zeit ist. „Achtsamkeit lässt in der Landschaft des Geistes ein neues Strömungsfeld entstehen.“

Dieses Buch wird jenen Gefallen, die gerne handfeste wissenschaftliche „Beweise“ für etwas haben wollen und dies im Zusammenhang mit Emotionen und Gedanken schon lange suchen. Es ist kein „Ich bin okay – du bist okay“-Buch und kein „Liebe dich selbst“-Buch und dennoch ein wertvoller Motivator im eigenen Leben endlich etwas zu ändern.

Warum wir fühlen, wie wir fühlen
von Richard Davidson, ISBN: 978-3-442-33888-7

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