Der Mensch im Zeitalter der Überforderung taumelt von einem Kontrollverlust zum nächsten
Zum Nachdenken / 5. Februar 2017

Wir spüren es alle – die Welt gerät mehr und mehr aus den Fugen. Da wird ein gefährlicher Narzisst plötzlich zum Präsidenten der Vereinigten Staaten angelobt. Da beschließt ein ganzes Land in Europa aus dem größten Friedensprojekt der Nachkriegsgeschichte – der EU – auszusteigen. Da stehen von heute auf morgen Zigtausende Menschen vor der Grenze und verunsichern mit ihrer Massenankunft die Bürger. Mit einem Wort: Wir sind überfordert. Und da kommt Gabor Steingart ins Spiel, der zunächst einmal sagt: Nur wer die Überforderung versteht, kann ihr begegnen. Kein Schönreden, kein Augen zu und durch, sondern ein aufmerksamen Hinschauen auf die Gegebenheiten ist gefragt. Und gleichzeitig erinnert er uns daran, sich die „Sensibilität des historischen Hinhörens“ zu erhalten, sprich: sich zu erinnern, was in der Geschichte bereits passiert ist, was funktioniert hat oder eben nicht. Er macht keinen Hehl daraus, dass wir auf dem besten Weg sind, eine Menge zu verlieren. Die Schuldfrage ist ebenso vielschichtig, wie die Frage, warum der Politik zu den aktuellen Themen so wenig einfällt. Und weil es so kompliziert geworden ist, arbeitet der Autor die Probleme nach Kapiteln ab: Amerika (und sein historisches Verschulden am Chaos im Nahen Osten, der uns heute die Terroristen ins Land bringt), Europa (und…

In welchem Glauben findet man Halt?
Zum Nachdenken / 15. Dezember 2016

Rudolf Taschner ist eigentlich Mathematiker. Umso erstaunlicher, dass er sich mit einem Thema beschäftigt, dass so gar nicht mit Formeln belegbar ist – dem Glauben. In seinem Werk nimmt er uns mit auf eine Gedankenreise zu den möglichen Standpunkten des Glaubens: Ist es die Geschichte, an die man glaubt? Oder die Kunst? Ist es die Natur oder die Kirche? Ist es der Genuss oder das Ich? Der Autor zwingt einem dabei keineswegs ein Endergebnis seiner Gedanken auf, sondern lässt vielmehr Raum für die eigenen Gedanken und die Frage: Ja, woran glaubst du eigentlich? Was gibt dir Halt in schweren Zeiten? Was macht dir Mut? Rudolf Taschner führt den Leser unterhaltsam, wertfrei und mit offenem Geist durch die Vielfalt an Glaubensrichtungen, die es einem Menschen ermöglichen, seinem Leben einen Anker zu geben. Ein paar interessante Sätze aus dem Buch: „Man fühlt sich frei, wenn man weder inneren Druck noch inneren Widerstand spürt.“ „Es scheint schwer zu fallen, das Leise zu ertragen, weil es den Horizont der eigenen Existenz allzu intensiv erweitert, die Belanglosigkeit fühlen lässt.“ „Das Gewissen ist das Wissen um das Gute.“ „Der Forschergeist des Menschen will vom Staunen zum Wissen gelangen, von der Ahnung zur Klarheit.“ „Die Geschichte ist mächtig….

Wirtschaftswachstum – ein suizidales Programm
Zum Nachdenken / 5. Dezember 2016

Im Jahr 1968 wurde der Club Of Rome gegründet. Er ist der Zusammenschluss von Experten aus unterschiedlichen Disziplinen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit zu sorgen. Schon 1972, als der erste Report mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ herauskam, sorgte der Club of Rome für Aufsehen. Jetzt – fast 45 Jahre – später rüttelt ein neues Buch an den Grundfesten des derzeitigen Systems der freien Marktwirtschaft. Dabei geht es in keiner Weise um Polemik, sondern um fundierte Zahlen, die belegen: das marktradikale Denken hat nicht zum erhofften Wohlstand aller geführt, sondern nur einigen Wenigen Geld in die Tasche gespült. So ist es beispielsweise erwiesen, dass die Löhne zurückgehen. Hinzu kommt, dass wir vor einem veritablen Klimakollaps stehen. Selbst wenn wir sofort damit aufhören würden CO2 in die Athmosphäre zu pusten, würde sich die Erde dennoch um 2 Grad erwärmen. Egal, werden manche sagen, doch die Auswirkungen sind derart dramatisch, dass man daran nicht mehr vorbeischauen kann. Auch das ist Thema des vorliegenden Buches mit dem Titel „Ein Prozent sind genug“. Hauptargument der Experten ist demnach, dass wir dringend aufhören sollten unseren Erfolg am Wirtschaftswachstum zu messen. Besagtes Wachstum – gemessen am BIP…

„Besser einschätzen, was kommt.“
Zum Nachdenken / 13. November 2016

In Amerika wurde ein mehrjähriger Test durchgeführt, in dem es darum ging, die Vorhersagefähigkeit von Ereignissen zu verifizieren. Verschiedene Personengruppen von Geheimdiensten waren daran ebenso beteiligt, wie eine Gruppe zufällig zusammengewürfelter Menschen, die – jeder für sich – bestimmte Fähigkeiten der Analyse mitbrachten. Dabei waren keineswegs nur Wissenschaftler oder Mathematiker beteiligt, sondern ganz durchschnittliche Menschen, die jedoch die Fähigkeit besaßen, Dinge anders zu analysieren, genauer zu beobachten, die sich auch nicht davor scheuten, ihre Prognosen zu ändern und die vor allem untereinander von den unterschiedlichen Zugängen zu einem Thema profitierten. Das Ergebnis: diese Superprognostiker schnitten um bis zu 30 % besser ab, als die teuer bezahlten Analytiker der Geheimdienste! In diesem Buch beschreibt der Autor und Initiator der Gruppe von Superprognostikern die Vorgehensweise, die Fehler, die passierten – und immer noch passieren und wie man diese Art von Analyse vielleicht auch für die eigenen Entscheidungen einsetzen kann. Es ist überaus spannend zu lesen, dass das Hauptproblem, das als Frage oft im Raum steht, leichter zu beantworten ist, wenn man es in Subfragen einteilt (die Fermisierung). Es ist aber auch gut zu wissen, dass bei jedem Ausschlagen einer Ereigniskurve man davon ausgehen kann, dass es eine Regression zur Mitte geben wird….

Die wirkliche Freiheit liegt nicht darin alles zu tun, sondern alles denken zu können.
Zum Nachdenken / 15. August 2016

Bertrand Piccard stammt auf einer Familie von Pionieren, so ist es kein Wunder, dass auch er als solcher in die Geschichte eingehen wird. Piccard hat es geschafft zweimal die Welt mit außergewöhnlichen Flugmitteln zu umrunden: einmal in einem Heißluftballon und neuerdings mit einem SolarFlugzeug. Fast schon nebensächlich scheint da sein eigentlich Beruf zu sein – er ist Psychiater. Und als solcher ist er ebenso auf der Suche nach neuen Pfaden. So kombiniert er in seiner Praxis die klassische Psychologie mit Hypnose und gestattet sich aus Ausflüge in die Philosophie und Spirtualität. All das findet man kombiniert im vorliegenden Buch. Basierend auf seinen Erfahrungen als Ballonfahrer vertritt er die These, dass man auch im Leben des öfteren die Flughöhe wechseln muss, um wieder in eine richtige Strömung zu kommen, die einen vorantreibt. Bestückt mit allerlei Beispielen aus der Psychologiepraxis, aber auch aus seinen Abenteuern versucht er seine Theorie zu untermauern. Ein einziges Kapitel in seinem Buch scheint mit unglaubwürdig, bzw. fehl am Platz. Es ist dies der Abschnitt, in dem er sich in esoterischer Spiritualität verirrt. Doch nachdem er selbst befindet, dass man diesen Teil mitunter verstörend finden mag, und deshalb doch bitte nicht das Buch zuklappen sollte, liest man an…

Am Besten kann man das Böse bekämpfen, in dem man ihm keinen Zugang gewährt.
Zum Nachdenken / 15. August 2016

Bevor jetzt manche jubelnd aufspringen und „Ausländer raus“ schreien, sei gesagt, dass dies kein Vorschlag für die Flüchtlingskrise ist. Vielmehr ist es einer von vielen philosophischen Vorschlägen, die Frieder Lauxmann bringt, um dem Bösen an sich die Stirn zu bieten. Und dass dieses Böse sich mannigfaltig zeigt, ist offenkundig. Zunächst jedoch bietet der Autor einige Grundsatzthesen, was das „Böse“ denn eigentlich sei, und wie es sich offenbart. Dabei spannt sich der Bogen von Adam Und Evas Sündenfall bis hin zur Wirtschaftskrise 2008. Das „Böse“ als Sammelbegriff für alles Übel dieser Welt, offenbart sich im Zwischenmenschlichen genauso wie im Umgang mit unserem Planeten. Es mag ab und zu als personifiziertes Übel auf der Welt wandeln, findet jedoch auch anderweitig einen Weg, um die Menschen zu entzweien. Der Versuch, das Böse an sich zu beschreiben, muss lt. Frieder Lauxmann scheitern, denn „wir können nur die Ahnung ergreifen, nicht die eigentliche Substanz. Wir ahnen und spüren das Geistige – also auch das Böse – dürfen es jedoch nicht in eindeutige Worte kleiden, sonst zerstören wir die Substanz unserer Vorstellungen.“ Wer also in Zeiten wie diesen erkennt, dass das Böse gerade im Begriff ist die Oberhand zu gewinnen, dem sei dieses Buch ans Herz…

„Jeder zweite wird an Krebs erkranken“
Zum Nachdenken / 25. Mai 2016

– so beginnt das Buch und schockt uns gleich mit konkreten Zahlen. Die Babyboomer Generation von 1950-1970 ist am meisten davon betroffen. Warum? Zunächst einmal, well wir älter werden. Hat uns bislang sozusagen der Tod vor der Diagnose Krebs bewahrt, so ist die höhere Lebenserwartung gleichzeitig das Spielfeld für den Krieg der Zellen im Körper. Hinzu kommt, dass die Generation auch außergewöhnlich sorglos mit dem Leben umgeht. Rauchen, Übergewicht,  Bewegungsmangel und Alkohol sind (in dieser Reihenfolge!) jene Faktoren, die dem Krebs überhaupt erst die Plattform bieten. Der Rest ist – im wahrsten Sinne – Zufall. Erschütternd dabei ist die Erkenntnis, dass viele Behandlungsmethoden, die sich allesamt in den letzten Jahren verbessert haben, entweder unleistbar sein werden oder aber aus Profitgier falsch eingesetzt werden. Und das ist keine Polemik, die hier im Buch betrieben wird! Der Auto Karl Lauterbach weiß von was er spricht, und untermauert seine Thesen, Befürchtungen und Anschuldigungen mit knallharten Fakten aus dem deutschen Gesundheitsbereich. Unterm Strich bleibt, dass viel zu viel Macht bei den Pharmakonzernen liegt, zuwenig in die Grundlagenforschung investiert wird, die Patienten unzureichend informiert werden und machmal mit falschen Hoffnungen abgespeist werden, anstatt ihnen einen ehrlichen Zugang zum bevorstehenden Lebensende zu ermöglichen. Als Leser klappt…

Weil man etwas dagegen tun sollte
Zum Nachdenken / 20. Mai 2016

Eigentlich wäre es zum totlachen, wenn es nicht so traurig wäre. Das Buch von Andreas Hock, der wie ein Don Quichote gegen die Verluderung der Sprache ankämpft, ist überaus unterhaltsam. Zumindest für jene, denen die Sprache an sich egal ist, weil sie ja nur etwas ist, mit dem man dem anderen sagen kann, dass er die Schnauze halten soll. Der kleinen Gruppe an Sprachgalliern, die in einem einsamen Dorf vehement dagegen ankämpfen von einer Heerschar an Analphabeten und Sprachspastikern überrannt zu werden, bleibt der Lacher aber vermutlich da und dort im Halse stecken. Oder aber, sie spüren schon die aufkeimende Depression, die sich ab der Mitte des Buches ankündigt. Doch nein, wir wollen fröhliche bleiben: ja, es macht Spaß dem Feldzug des Autors zu folgen und seinen durch die Bank stichhaltigen Argumenten „weil wir zu zwitschern begonnen haben“, „weil wir alles abkürzen wollen“, „weil wir Döner nur mit scharf essen“ …., nickend zuzustimmen. Und am Ende des Buches darf man sich dann über eine illustre Zahl an Wörtern erfreuen, die auf der Liste der bedrohten Arten stehen. Erfreuen deshalb, weil sie im Kontext der neusprechenden Sager geradezu ein Brüller sind. Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann von…

Die digitale Zeitverschwendung
Zum Nachdenken / 1. Mai 2016

Gewusst, oder besser gesagt, gefühlt haben wir es schon immer. Nämlich, dass es mit der Gesellschaft und der Intelligenz der Menschen rapide bergab geht. Anders lässt es sich nicht erklären, warum die Leute sich dermaßen in die digitale Abhängigkeit von Facebook und Co. begeben, private Dinge und persönliche Meinungen preisgeben, und sich dann wundern, wenn ein Shitstorm über sie hereinbricht, oder 1.000 Leute zur privaten Geburtstagsfeier kommen oder das Haus ausgeräumt wird, nur weil man lauthals verkündet hat, dass man jetzt 3 Wochen in Amerika weilt. Andreas Hock skizziert in seinem Buch sehr anschaulich, mit einer Menge Lacher, die allerdings oft im Hals stecken bleiben, aber auch mit einer gehörigen Portion mahnender Worte, wie es um unsere Gesellschaft bestellt ist. Jene, die diese Gefühl von Befremdung in sich tragen, werden sich auf 200 Seite bestätigt sehen, jene, die Antworten suchen, eine Menge Erklärungen finden und alle anderen werden weiterhin fröhlich Ihre Unwichtigkeiten in die Welt posaunen, in dem Glauben, dass sich irgendjemand dafür interessiert. Gutes Buch! Like mich am Arsch, von Andreas Hock, 978-3-86833-330-0

Wer will, findet Wege. Wer nicht will, findet Gründe.
Zum Nachdenken / 6. April 2015

Mit war Götz Werner bislang völlig unbekannt. Erst ein Interview in einem Magazin machte mich auf die interessante Denkweise dieses Mannes aufmerksam. Und was man aus seinem Leben lernen kann, ist im vorliegenden Buch zusammengefasst. Angetrieben von einer für damalige Verhältnisse undenkbaren Geschäftsidee geht Götz Werner unbeirrt seinen Weg und wurde auf diese Weise zum bedeutendsten Zahnpastaverkäufer. Interessant ist vor allem, wie der Gründer der Drogeriemarkt-Kette „dm“ sein Unternehmen stets anders geführt hat, als es das „Handbuch“ vorgab. Und dazu gehört auch die Mitarbeiterführung bzw. -motivation, die so ganz anders verläuft als man es in so vielen Managerseminaren und -büchern hört, bzw. liest. Der Grund für den Erfolg des Unternehmens: wenn Götz Werner sagt, dass der Mensch im Mittelpunkt steht, dann meint er das so! Ob Mitarbeiter oder Kunde – er fragt stets: wie können wir als Unternehmen dem Menschen dienen? Solle der Auto und Begründer von dm also jemals nach Österreich kommen, um einen Vortrag zu halten – ich würde ihm vorbehaltlos zuhören. Womit ich nicht gerechnet habe von Götz Werner, ISBN: 978-3-430-20153-7