Wenn eine Seite der Welt einfach verschwindet …
Zum Nachdenken / 6. März 2012

Sarah und Bob führen mit ihren drei Kindern ein glückliches, aber von Arbeit geprägtes Leben. Sie ist Vizepräsidentin eines großen Beraterunternehmens, er kämpft sich in Zeiten der Wirtschaftskrise durch und versucht seinen Job zu halten. Die Folge: beide arbeiten wie verrückt, der Zeitplan lässt fast keine Pausen mehr zu – nur logisch, dass da auch unterwegs im Auto gearbeitet wird. Handy und Laptop liegen immer bereit. Eines Tages führt genauso so eine Situation dazu, dass Sarah einen Autounfall hat – ihre Augen waren auf das Handy gerichtet. Als sie nach 8 Tagen wieder erwacht, stellt sie nicht nur fest, dass eine Seite ihres Schädels rasiert ist. Mit Entsetzen erkennt sie auch nach und nach, dass die andere Seite ihrer Welt verschwunden ist. Die linke Seite ihres Körpers existiert im Kopf nicht mehr – sie kann ihr Bein nicht mehr richtig bewegen, weil es nicht mehr da ist, sie sieht nicht, wer links zur Tür reinkommt, weil es kein links mehr gibt. Sie ist den halben Teller leer, zeichnet eine halbe Uhr, und schminkt sich nur noch zur Hälfte. Als nach 10 Wochen nur kleine Verbesserungen dieses Phänomens auftreten – und dies nur durch Tricks – wird klar, dass sie möglicherweise…

Je weniger wir Herr der Dinge sind, desto mehr haben wir gelernt, den Anschein zu erwecken.
Zum Nachdenken / 1. März 2012

„Der größte Vorzug schöner Geschichten, nämlich vergangen zu sein, ist der Geschichte des Dilettantismus noch nicht zugewachsen“ – So steht es bereits ziemlich am Anfang des Buches geschrieben. Es ist dies der Auftakt einer Rede, wenn man so will, bei der das Auditorium immer geknickter in den Reihen sitzen wird, weil es erkennt, wie sehr es bereits vom Dilettantismus eingenommen sind – auch im eigenen Tun! Der in seinen Formulierungen äußert talentierte Autor spannt einen Bogen von den ersten Dilettanten über die Ausbreitung, die Machtentfaltung, den Schulen bis hin zu den Medien. Und er nimmt sich bei Gott kein Blatt vor den Mund! Einiges, was da zu lesen steht, birgt Sprengstoff in sich, nicht, weil es eine polemische Behauptung ist, sondern weil einen die Erkenntnis der Richtigkeit wie ein Keulenschlag trifft. Und anders als bei Sarazins „Deutschland schafft sich ab“ werden hier keine ethnischen Minderheiten als Sündeböcke herangezogen,nein, wir selbst sind es, die zulassen, dass die Mittelmäßigkeit zum erstrebenswerten Ziel ernannt wird. „Der Dilettant reduziert alles, womit er sich befasst, auf das Maß seiner eigenen Vorstellungskraft“, steht geschrieben. Damit kritisiert Thomas Rietzschel jenen Umstand, dass wir unsere alte Kultur (von der Sprache angefangen) einfach ignorieren, nicht mehr bereit sind darüber…

Kein richtiger Gerichtsthriller, sondern mehr Politkrimi
Zum Nachdenken / 15. Januar 2012

Die Anwälte Wes und Mary Grace Payton gewinnen einen Prozess gegen einen Chemiekonzern. Plötzlich steht die Summe von 41 Millionen Dollar im Raum. Für die Paytons vielleicht das Ende einer langen Durststrecke – all ihr Besitz steckt in diesem Prozess, ihre Schulden belaufen sich mittlerweile auf 400.000 Dollar. Im Grunde gilt es jetzt die Berufung durchzufechten. Womit weder die Paytons noch ihre Mandanten rechnen: eine korrupte Institution, deren Macht bis in die höchste Ebene der Politik reicht, ist dabei den Berufungsrichter gegen einen ihrer Leute auszutauschen. Und so erleben die vermeintlichen Sieger die Niederlage ihres Lebens. John Grisham schreibt in diesem Fall nur periphär über einen Prozess, sondern blickt viel mehr hinter die Kulissen der Maschinerie. Wo Berufungsrichter gewählt werden können, kann man auch manipulieren. Und wie das gemacht wird, schildert der Autor auf eindrucksvolle Art und Weise. Wie immer sind eine Menge Emotionen im Spiel, weil man als Leser natürlich sieht, was da auf die ahnungslose Klägerpartei zukommt. Das Ende des Romans ist jedoch ein wenig „lieblos“ geschrieben. Auf den letzten Seiten passieren eine Menge Dinge, die aufzeigen, dass zuallerletzt vielleicht doch die Gerechtigkeit siegt. Die Betonung liegt auf „vielleicht“ und: für diese Kurve, die der Autor da kriegen…

Pflichtlektüre gegen die Unwissenheit
Zum Nachdenken / 21. November 2011

Ein jeder hat die Stimme von Hugo Portisch im Ohr. Wie er da sitzt im Zeit-im-Bild-Studio und eine schier unverständliche politische Situation in kurzen prägnanten Worten so erklärt, dass es selbst der einfachste Bürger versteht. Man muss weder geschichtlich fundiert sein, noch etwas von Politik verstehen – man muss einfach nur zuhören, wenn Hugo Portisch etwas zu sagen hat. Genauso verhält es sich auch mit dem vorliegenden Buch, das so geschrieben ist, als würde er persönlich zu uns sprechen. Es könnte genausogut die Abschrift eines Vortrages sein, mit allen Zwischensätzen wie „lassen Sie mich dazu eines erklären“. Und wahrlich: wenn man das Buch zu Ende gelesen hat, sieht man die derzeitige Situation der EU und seiner gemeinsamen Währung mit ganz anderen Augen, denn auf den knapp 80 Seiten erklärt uns Hugo Portisch, dass die EU eigentlich aus einer ganz anderen Union heraus entstanden ist, die bereits 1 Jahr nach dem zweiten Weltkrieg gegründet wurde – und zwar von Deutschland und Frankreich. Weiters wird in diesen wenigen Seiten skizziert, aus welchen Beweggründen in Wahrheit die Währungsunion entstanden ist, und dass Österreich selbst in den 20er Jahren schon einmal bankrott war und von anderen finanzielle Unterstützung in Anspruch nehmen musste. Ein Kredit,…

Vom Geheimnis des Gelingens
Zum Nachdenken / 11. September 2011

Gerald Hüthers Vorwort hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Er fasst in ihm das zusammen, was in der Folge im Buch detailierter ausgeführt wird und gerade diese Quintessenz ist es, die irgendetwas in mir zu schwingen brachte. Sätze wie „Die zwei größten Wunder unseres Daseins sind die Entdeckerfreude und die Gestaltungslust“oder „Wonach wir suchen sollten ist nicht das Geheimnis des Erfolges sondern das Geheimnis des Gelingens“ lassen einen nur zustimmend nicken. In der Folge beschreibt der Autor dann aus dem Gesichtspunkt der Gehirnforschung vermischt mit Erkenntnissen der Soziologie was eigentlich gemeint ist, wenn wir „Wir“ sagen und was in der Folge natürlich mit dem „Ich“ gemeint ist. Woher wissen wir, wo „ich“ aufhört? Der nächste große Punkt behandelt dann das Thema „Was wir sind“ gefolgt von „Wie sind wir so geworden, wie wir sind“ bis hin zu „Was haben wir uns alles eingeredet“, „Was haben wir aus uns gemacht“ und schließlich das Grande Finale mit „Was könnte aus uns werden“. Wer sich konkrete Ratschläge für seine persönliche Veränderung erhofft, wird enttäuscht sein, denn hier ist man wahrlich gefordert aufgrund des Gelesenen in sich selbst hineinzuhören und sich zu fragen: „Und wie ist das bei dir?“ Wer den Blick ins…

In dieser Welt garantiert der Anstand nicht den Erfolg
Zum Nachdenken / 4. Mai 2011

… Bereits im Prolog des Buches macht der Autor unmissverständlich klar – wer sich in diesem Buch Gerechtigkeit erhofft, wird enttäuscht werden. Denn – so Rudolf Taschner – Gerechtigkeit ist eine vom Menschen geschaffene Vorstellung des Zusammenlebens, der Verteilung. Die Natur selbst hat keine zielgerichteten Willen, ergo kümmert sie sich wenig um so ein schwer zu beschreibendes Gefühl wie Gerechtigkeit. „Die Natur ist nicht gerecht. Sie ist aber auch nicht ungerecht. Das wäre sie nur, wenn sie ungerechte Unterschiede schaffen WOLLTE.“ In 8 Kapiteln beleuchtet der Autor auf erfreulich einfache und allgemein verständliche Weise die Zusammenhänge von Gerechtigkeit und zeigt unter anderem auf, wie sehr sich dieser Begriff auch in den Jahrhunderten gewandelt hat. Gerechtigkeit unter den Geschlechtern, in den Generationen, im Geschäft, im Gesetz, im Gewissen … in alle diesen Verbindungen wird klar, was im Titel steht – Gerechtigkeit siegt – aber nur im Film. Das Buch wird jenen gefallen, die sich gerne mit Gesellschaftsfragen (und das ist eine!) auseinandersetzen. Es ist gut lesbar und bedarf weder großartiger Vorkenntnisse noch eines Mathematik-Studiums (auch wenn der Autor als brillianter Mathematiker berühmt ist). Dank der relativ kurzen „Geschichten“ innerhalb der einzelnen Kapitel ist es zudem sehr kurzweilig, regt zum Nachdenken an…

Meine Vermutung ist ja, dass Gott googelt ..
Zum Nachdenken / 22. März 2011

… denn nirgendwo ist es leichter alle Sünden dieser Welt zu finden, als im Internet. – so sieht das zumindest Thomas Montasser in seinem Buch, dessen Titel wirklich brilliant ist! Der Inhalt hingegen ist ein einziges Plädoyer gegen das „Böse“, das sich als digitalisierte Welt in Form von E-Mail, SMS, Computer, MP3-Player, Handy, usw. manifestiert. Zwar zeigt der Autor nicht mit dem Finger auf andere, sondern nimmt sich selbst durchaus auch kritisch unter die Lupe, dennoch sind die Ansichten in dem Buch so vermutlich nicht haltbar. Sicher – in vielen Punkten hat der Autor recht: wenn er z.B. sagt, dass die Kinder heute lieber „Leben spielen“ anstatt zu leben. Er hat auch recht, wenn er sagt, dass er „vor lautet Passwörter schon nicht mehr weiß, wie er heißt“ (das Phänomen dürfte allgemein auftreten). Trotzdem ist seine „Beweisführung“ einseitig und manchmal eintönig, weil sich die Argumente ständig wiederholen. Vor allem aber auch, weil man dem ganzen ohnehin nur begrenzt entgehen kann (und vermutlich auch will). Vieles von dem, was in den letzten 10 Jahren erfunden wurde ist eine Errungenschaft. Und wie alle Errungenschaften können diese auch zum Fluch werden, wenn der Mensch sich selbst nicht unter Kontrolle hat. Das gilt für…

Die Familie hat ihren guten Ruf eingebüßt.
Zum Nachdenken / 1. März 2011

„Es ist noch nicht lange her, da nannte man die heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen, die Sandwich-Generation, eingeklemmt zwischen den Verpflichtungen gegenüber ihren Eltern und ihren Kindern, wirtschaftlich und seelisch erschöpft. Doch dieser Begriff ist falsch und nur ein weiteres Beispiel für die Egomanie einer Generation.“ … Die ist der 1. Satz des Buches und ich dachte zunächst, dass es ein spannender Auftakt sei. Jedoch: ich wurde enttäuscht, denn mehr und mehr hat mich das Buch zu ärgern begonnen. Nicht nur, dass sich immer alles um Wirtschaftlichkeit dreht und wie man ein „System“ erhalten kann, es bescheinigt uns (und vor allem unseren Kindern und Enkeln) auch eine mehr oder weniger hoffnungslose Zukunft. Stets ist nur von der „Last auf den Schultern“, der „Doppelbelastung Eltern, eigene Kinder“ usw die Rede. Als ob es im Leben nur darum ginge, dass alles wirtschaftlich abläuft! Als Mitglied jener egomanen Generation, von der eingangs gesprochen wird, hab ich mir oft gedacht, dass wohl JEDE Generation ihre Chancen und ihre Probleme hatte und es erscheint mir mehr als kurzsichtig, der zukünftigen Generation gleich gar keine Chance mehr einzuräumen. Die Nachkriegsgeneration war bitterarm, aber hatte die große Chance ein Land neu aufzubauen. Die heutigen Generationen kommen in eine…

Schrecklich ist vor allem, was wir nicht begreifen
Zum Nachdenken / 1. März 2011

August Geiger hat Alzheimer. Die heimtückische Krankheit wird von seinen Kindern, darunter auch dem Autor Arno Geiger, erst spät erkannt. Zuvor werden die seltsamen Anwandlungen einfach nur als Alterssturheit abgetan. Traurig und entsetzt über diese Fehleinschätzung beginnt Arno Geiger das Leben seines Vaters von nun an mit anderen Augen zu sehen, seine „Aussetzer“ als solche zu erkennen und mit ihnen zu leben. Er schildert den Alltag mit einem dementen Menschen, die Probleme mit der Verwirrtheit und der damit einhergehenden Verunsicherung, sowie die Ängste des Vaters, der mehr und mehr in eine andere Welt abdriftet. Und genau an dieser Stelle erkennt der Sohn, dass er dem Vater folgen muss, wenn er ihn nicht verlieren will. So entstehen Dialoge die Tragik und Komik in sich vereinen, die einen traurig machen und gleichzeitig lachen lassen, die einem den Spiegel vorhalten und die Frage: „Könntest du auch so reagieren oder würdest du einfach ausflippen?“ Arno Geigers Buch ist ein stilles Werk, und doch von einer imposanten Kraft durchflutet. Von der Macht des Lebens, das noch lange nicht zu Ende ist, nur weil der Geist nicht mehr ganz folgen kann. „Das einzige, was uns angesichts dieser Niederlage, die man Leben nennt, bleibt, ist der Versuch…

Die Überflieger von gestern – ab wo sind die von morgen?
Zum Nachdenken / 11. Februar 2011

Gladwell ist ein Unterhaltungstalent. Seine Bücher lesen sich flüssig, es bedarf keiner großen wissenschaftlichen Studien um ihm auf seiner Reise folgen zu können. Seine Theorien wie z.B. „Menschen die um 1955 geboren wurde hatten die größten Chancen, mit Computer bzw. Programmierung zum Überflieger zu werden“ oder „Menschen, die in einer demografischen Delle um 1930 geboren wurden, hatten die besten Ausbildungschancen“ usw. sind durchwegs interessant und in gewisser Weise auch logisch. Andere Theorien wie jene der „Kultur der Ehre“ oder jener, dass Chinesen die besseren Mathematiker sind – nun ja, die halte ich jetzt für latent überzeichnet, wenn auch unterhaltsam. Was mich definitiv gestört hat ist, dass er seinen EIGENEN Werdegang als den eines Überfliegers skizziert. Die Geschichte seiner Familie, die am Schluss beschrieben wird ist das Finale von vielen langen Familiengeschichten durch die man sich im Laufe des Buches gelesen hat – auch das muss man mögen. Es macht einen als „Normalo“ irgendwie ärgerlich, wenn man liest: „Hättest du damals, dieses oder jenes getan und hättest du diese oder jene Chance genutzt, dann wärst du heute ein Überflieger“. Und zuletzt bleibt eine Frage unbehandelt: Wie steht es um die Überflieger der Zukunft? – Diesen mutigen Blick nach vorne hätte ich…