Verrückte Geschichte in direkter Rede
Zum Zeitvertreib / 4. September 2015

Ein Mann entführt einen Astronauten, einen Kongressabgeordneten, seinen High-School Lehrer, seine Mutter, einen Polizisten und schließlich auch noch eine junge Frau, der er am Strand begegnet. Sie sind allesamt in einem verlassenen Militärkomplex untergebracht – jeder für sich in einer Baracke. Und mit jedem hat Thomas etwas spezielles zu besprechen, eine Geschichte, die irgendwie mit allen zusammenhängt oder auch nicht. So genau weiß man das als Leser bis zum Schluss nicht. Thomas redet also von seiner Kindheit und vom Tod eines Freundes und seine Gefangenen stehen im Rede und Antwort, bis das Kreisen der Hubschrauber über dem Militärgelände unüberhörbar ist und die Strahlen der Taschenlampe unter jeder Tür auszumachen sind. Was dann passiert, das mag der Fantasie des Leser überlassen sein. Dave Eggers‘ neuer Roman ist ein direkter Dialog von der ersten bis zu letzten Seite. Kein Satz dazwischen erklärt die Situation aus einer Vogelperspektive. Es sind immer nur die Fragen und Antworten der Protagonisten, die ein Bild entstehen lassen – von einem sichtlich verwirrten Kidnapper, von Menschen, die etwas zu verheimlichen haben, von anderen, die selbst in der Situation des Gefangenen noch kühlen Kopf bewahren. Es ist eine interessante Art eine Geschichte zu erzählen.Eure Väter, wo sind sie? Und…

„Ein junger Mann mit Schmerzen zu sein, nimmt einen ganz in Anspruch.“
Zum Zeitvertreib / 1. März 2015

Alles beginnt damit, dass Julian sich von Judith trennt. Nein eigentlicher tänzelt er um diese Entscheidung herum, bis sie ihm vom Judith selbst aus der Hand genommen wird. Plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt, gerät Julians Leben ein wenig aus dem Gleichgewicht, oder besser gesagt sein seelisches Gleichgewicht hat gehörigen Seegang. Plötzlich ist nicht mehr von jener Leichtigkeit, die einem jungen Studentenleben eigentlich anhaftet. Weil Julian noch Schulden bei Judiths Vater hat, nimmt der junge Student der Veterinärmedizin den Job als Tierpfleger an, und betreut fortan ein Flusspferd, dass in privater Obhut darauf wartet von einem Zoo aufgenommen zu werden. Dort, in jenem Privathaus trifft er auf die Tochter des Hausbesitzers … Arno Geigers neuer Roman ist voller Poesie. Er schafft es die permanent depressiv anmutenden Gedanken des jungen Julian in Worte mit Tiefgang zu fassen. Wenn er schreibt: „Wir wurden uns fremd bis zum Rätsel“ so wird dem Gefühl der Fremdseins eine Tiefe beigemischt, die sich unmittelbar auf das Gemüt niederschlägt. Entfremdung, die Suche nach Glück, die Sehnsucht nach dem Partner fürs Leben, all das, Karate und ein Flusspferd ergeben ein wunderbares Buch. Selbstportrait mit Flusspferd, von Arno Geiger ISBN: 978-3-446-24761-1

Aus einer guten Idee zuwenig gemacht
Zum Zeitvertreib / 18. Januar 2014

Im Jahr 2052 steht den Menschen an den Küsten das Wasser buchstäblich bis zum Hals. Ganze Landstriche, die vor 40 Jahren noch bewohnbar waren, stehen mittlerweile unter Wasser. So trifft es auch ein kleines Örtchen an der Nordsee, in der Nick Schäfers Mutter wohnt. Just als die Evakuierung der noch verbliebenen Einwohner seinen Lauf nimmt, erhält Nick einen Anruf von Emma Fischer, einer Liebschaft die vor kurzem unschön zu Ende ging. Sie erzählt ihm von einem geheimen Dokument, das sie an ihrem Arbeitsplatz, der amerikanischen Botschaft, im Archiv ausgehoben hat. Demnach gibt es einen ganz bestimmten Grund, warum der Klimawandel so rasant voranschreitet und die Welt mit immer schlimmeren Katastrophen heimsucht. Alles begann mit einer amerikanischen Bohrinsel im Pazifik im Jahr 2015 … Die Grundidee des Buches ist eigentlich recht gut und hätte auch sehr viel Potenzial. Doch der Autor hat es vorgezogen, lieber eine Actiongeschichte zu schreiben, anstatt auf die Details der weltweiten Veränderungen einzugehen. So kann man leider nur erahnen, wie die Welt im Jahr 2052 ausschaut. Dass es heiß sein muss, erkannt man beispielsweise nur daran, dass den Protagonisten ständig der „Schweiß in Bächen runter fließt“. Die Actionstory rundherum mag gut für einen Hollywood-Film sein (und genau…

Ein Memento an den Zorn des Himmels
Zum Zeitvertreib / 30. Dezember 2012

Wir schreiben das Jahr 1924. Der Dampfer Archimedes befindet sich mitten im atlantischen Ozean als ein nie da gewesener Hurrikan über das Schiff hereinbricht. Vier Tage lang kämpft die Mannschaft fortan darum, das Schiff auf der Meeresoberfläche zu halten, denn: als die Feuer in den Dampfkessel ausgehen, ist der Frachter nur noch eine Menge zusammengeschraubter Stahl ohne Steuerung, ohne Strom, ohne Aussicht auf Land. In den wilden Wogen des Sturms offenbaren sich nach und nach die Charaktere der Seeleute und es zeigt sich, wer das Zeug zum Überleben hat. Der Roman von Richard Hughes gilt als Klassiker der Seemannsgeschichte und wenn man sich nicht daran stört, dass Chinesen und „Nigger“ als Zweitmenschen gesehen und beschrieben werden (was damals ganz offenbar so üblich war), den mag das Drama auf hoher See fesseln. In Bedrängnis von Richard Hughes, ISBN: 978-3908777-82-3

Wer weiß schon, was das Ampersand-Zeichen ist …

Alles begann mit dem Allmanach 2007. Es folgten die Jahre 2008 und 2009 bis Ben Schott schließlich die ersten Bücher unter dem Begriff Sammelsurium auf den Markt brachte. Seit Anbeginn freue ich mich über diese geballte Ladung – mitunter unnützen – Wissens, amüsiere mich und staune darüber. Es sind dies wunderbare Ausflüge in die Welt der Tabellen, Sprüche, Weisheiten, Listen und Erläuterungen, die aufgrund der Gestaltung auch noch schön anzusehen sind. Mittlerweile gibt es neben den Allmanachs bereits 4 Sammelsurien – das vorliegende „für alle Lebenslagen“ ist Nummer 5. Übrigens: die genaue Erklärung des Ampersand- oder et-Zeichens (&) steht auf Seite 17 des Büchleins. Tolles Buch zum Verschenken – am besten zuerst an sich selbst 🙂 Schotts Neues Sammelsurium für alle Lebenslagen von Ben Schott, ISBN: 978-3-8270-1113-8

Spaßiger Provinzkrimi ohne hohen Anspruch
Zum Zeitvertreib / 7. Oktober 2012

Als Sissis Fux‘ Vater stirbt, kehrt die junge Gerichtsmedizinerin nach Jahren wieder einmal in ihren Heimatort in der südlichsten Steiermark zurück. Nichts scheint sich geändert zu haben: die Leute – allen voran ihre Großmutter – sind nach wie vor außen fromm und innen boshaft. Der Dorftratsch lebt wie eh und je, da scheint es fast eine Mahnung Gottes zu sein, als beim Begräbnis der Blitz in die Trauergemeinde einschlägt. Mitten im Chaos begegnet sie Stefan, einem alten Bekannten, der mit Sissis bester Freundin Regina verheiratet war, bis diese in Italien im Meer ertrank. Sissi lässt sich mit Stefan ein, doch dir Romanze wird bald schon getrübt von der Allgegenwärtigkeit Reginas – und der Tatsache, dass irgendetwas an der Geschichte nicht stimmt. Lilian Faschingers Provinzkrimi ist einfach aufgebaut und relativ schnell zu durchschauen. Dennoch ist er ganz spaßig zu lesen, wenn man keine allzu hohen Ansprüche stellt. Die Unzertrennlichen von Lilian Faschinger, ISBN: 978-3-552-05577-3

Der Glaube an etwas lässt einen hoffen, wenn alles andere weggebrochen ist
Zum Zeitvertreib / 15. August 2012

Harold Fry und seine Frau Maureen führen ein beschauliches Pensionistenleben in einer Kleinstadt im Süden von England. Gänzlich unspektakulär verlaufen die Tage, die von Gartenpflege und Haushaltsarbeiten geprägt sind. Bis Harold eines Tages einen Brief erhält. Er stammt von Queenie, einer Arbeitskollegin aus frühen Tagen. Queenie verabschiedet sich in dem Brief, sie hat Krebs. Harold ist schockiert. Sein Antwortbrief fällt dürftig aus, und doch will er ihn rasch aufgeben. So macht sich Harold spontan auf den Weg zum nächsten Briefkasten. Doch anstatt stehen zu bleiben läuft er immer weiter und weiter, verlässt die Stadt, wandert über Straßen bis zum nächsten Ort. So werden aus Stunden Tage und aus Tage Wochen, in denen Harold mit nichts als dem, was er am Leib trägt und seiner Geldtasche Kilometer um Kilometer seinem Heimatort entflieht, der ihn ganz offenbar mit einer alten Geschichte erdrückt. Und der Weg zum nächsten Briefkasten wird mehr und mehr eine Reise zu sich selbst. Rachel Joyce Geschichte ist rührig, mitunter aber auch anstrengend. Die Wegbeschreibungen sind geprägt von einer unendlichen Auflistung von Pflanzen, die am Wegesrand wachsen – nicht jedermans Sache. Auch die Begegnungen mit Menschen sind phasenweise seltsam und für mich unpassend ausgewählt. z.B. Ein schwuler Geschäftsmann, der…

Von elektrischem Licht bekommt man Sommersprossen
Zum Zeitvertreib / 6. April 2012

… das war zumindest eine von vielen Vorurteilen gegenüber der Elektrizität zur Zeit seiner Erfindung. Bill Bryson ist eine Ausnahmeerscheinung, wenn es darum geht, wirklich allem, was es auf der Welt gibt eine Geschichte abzutrotzen. Mit einer unglaublichen Akribie erzählt er uns also in seinem Buch die Geschichte seines Hauses, das einst ein Pfarrhaus war. Und von den eigenen vier Wänden ausgehend führt er uns vom ersten Hausbau bis zu den einzelnen Zimmern und ihrer Entstehung. Darüber hinaus erfahren wir alles über jene Dinge, die zum jeweiligen Zimmer gehören. Sei es in der Küche ein Ausflug in die Welt der Gewürze oder im Schlafzimmer die Mühen einer Geburt – lange bevor es wirklich gute medizinische Hilfe gab. Trotz – oder gerade wegen der vielen Geschichten und der dazugehörigen Namen von Personen, Erfindern, Entdeckern, ist das Buch beizeiten anstrengend. In Häppchen genossen durchaus unterhaltsam, am Stück fast nicht zu lesen. Wer gerne vor dem Einschlafen noch ein paar Zeilen liest, wird mit Bill Brysons 600 Seiten starken Geschichtsbuch über die alltäglichen Dinge lange Zeit sein Auskommen finden. Eine kurze Geschichte der alltäglichen Dinge von Bill Bryson, ISBN: 978-3-442-30122-5

Kein Harry Potter Vergleich, aber durchaus unterhaltsam
Zum Zeitvertreib / 25. Februar 2012

Peter Grant ist Constable der Londoner Polizei. Wir befinden uns in der Gegenwart und er und seine Truppe werden zu einem Mordfall gerufen, der sich alsbald als sehr merkwürdig entpuppt. Nicht nur, dass der Tote keinen Kopf mehr hat – der Mordzeuge ist ….. ein Geist. Und schon steht Constable Grant gleich vor mehreren Problemen. Da wäre zunächst die Tatsache, dass nur er diesen Geist sieht, doch weitaus interessanter ist, dass er schon bald darauf von einem Inspector Nightingale rekrutiert wird – als Zauberlehrling. Der Krimi hatte zu Beginn durchwegs spannende Ansätze – alleine die Idee, dass es sowas wie den letzten Zauberer gibt und der prompt bei der Londoner Polizei tätig ist, fand ich nicht schlecht. Nur: die Geschichte wird nach und nach verworrener, bald schon verfolgt man nicht mehr den Geist sondern findet sich mittendrin im Kampf der beider Götter der Themse und seiner „Verwandtschaft“. An dieser Stelle beginnt es dann mehr und mehr ins Skurile abzudriften, die ursprüngliche Spannung geht verloren. Schade eigentlich, denn der Klappentext verspricht „So stellt man es sich vor, wenn Harry Potter erwachsen geworden und zu den Bobbies gegangen wäre“ Genauso ist es nämlich nicht. Eine Welt von Harry Potter wäre um ein…

Was Erol Flynn, Cher und Tony Curtis gemeinsam haben …
Zum Zeitvertreib / 22. Oktober 2011

… sie alle müssen als Decknamen für Serienkiller herhalten, die sich in regelmäßigen Abständen zum Clubabend treffen, um sich die neuesten „G’schichtln“ zu erzählen. Der Erzähler des Buches stößt zu dem Club, weil er selbst als Opfer eine Serienkillers sich zur Wehr setzte und den Mörder tötete. Beim Durchsuchen der Taschen entdeckt er dessen wahre Identität und die Verbindung zum Club. Er beschließt kurzerhand sich als Killer auszugeben und dem Club beizutreten. Bald schon muss er jedoch selbst das „Handwerk“ erlernen, denn nach und nach wird sein Identität bekannt, und weil er selbst den Club auf keinen Fall verlassen will, werden die vermeintlichen Aufdecker kurzerhand zur Strecke gebracht. Als ihm schließlich auch noch das FBI um seine Hilfe bittet, hat „Douglas Fairbanks jr.“ alle Hände voll zu tun. Der vorliegende Roman ist eine gelungene Mischung aus Krimi und Komödie, garniert mit einer gehörigen Menge schwarzen Humor und Skurilität. Es ist ein typisches Buch, das man einfach liest, seinen Spaß daran hat und danach weglegt, ohne dass es Spuren hinterlässt. Aber es gelingt dem Buch durchaus, den Leser für Stunden zu unterhalten. Wer schwarze Komödien mag, wird seine Freude haben. Der Club der Serienkiller von Jeff Povey, ISBN: 978-3-453-43459-2