Wie wird aus einem Kind ein Erwachsener?
Zum Zeitvertreib / 6. Januar 2011

T.S. Spivet ist 12 Jahre alt und könnte wohl als Wunderkind bezeichnet werden. Er kartografiert seine Umwelt – sei es Mensch, Tier oder Landschaft und analysiert auf diese Weise Dinge wie „das Geräusch, das Stille macht“, „nervöse Handbewegungen“, „das echte und unechte Lächeln“ oder eben den Aufbau eines Käfers, eines Blattes, der Kontinentalplatten Nordamerikas, eines Straßennetzes usw. Die Art, wie er die Dinge sieht ist einzigartig und genauso ist auch dieses Buch: ein seltenes Schmuckstück. Die Zeichnungen des Jungen begleiten uns durch das Buch in Form von Randnotizen und nicht selten gibt es dazu auch kleine Geschichten, die eingestreut werden. Alleine schon diese aufwendige Art ein Buch zu schreiben ist bemerkenswert. Darüber hinaus verbirgt sich in der Geschichte eine seltsame Tragik, die uns betroffen macht – ist T.S. etwa aus Versehen zum Mörder seines Bruders geworden, den er so unsäglich vermisst, dass sein Name an jeder Ecke auftaucht? Das Buch werden jene mögen, die außergewöhnliche Druckwerke schätzen. Die Geschichten mögen, die eben – gleich dem Leben – nicht immer spannend sind, die eine Reise durch die Landschaft und Geschichte von Amerika mögen und die natürlich Zeichnungen aller Art schätzen. Die Karte meiner Träume von Reif Larsen, ISBN: 978-3100448118

Königliches Lesevergnügen
Zum Zeitvertreib / 3. Januar 2011

Eine schier unnahbare Person wird plötzlich menschlich. Die Queen entdeckt die Freuden des Lesens und vergisst darüber ihre Pflichten – mehr noch, sie werden ihr sogar lästig. Doch Vorsicht! Nicht umsonst sitzt ihre Majestät schon so viele Jahrzehnte am Thron und so ist es denn nicht verwunderlich, dass sie sich gegen jene, die ihr das Lesen vergällen wollen zu verteidigen weiß. Köstliches kleines Büchlein mit sehr viel Tiefgang. Die souveräne Leserin von Alan Bennett, ISBN: 978-3-80311254-5

Sehnsucht nach einem anderen Leben?
Zum Zeitvertreib / 1. Januar 2011

Peter Mayle und seine Frau sind Engländer und dementsprechend anspruchslos, was Wetter und Essen anlangt. Für sie muss es wohl eine Offenbarung gewesen sein, als sie sich entschlossen in der Provence ein kleines Häuschen zu kaufen, um fortan dort zu leben. Mit ungemeinem Charme und Humor schildert der Autor ein Jahr voller Umbrüche – im wahrsten Sinne! Das Haus bedarf Renovierungsarbeiten, was sich als ganz und gar langwierige Angelegenheit entpuppt – aber was soll’s: dafür leben er und seine Frau in einer liebreizenden Gegend, die von nicht wenigen als die schönste Frankreichs angesehen wird. Gutes Essen gehört hier zum Mindestanspruch, ebenso guter Wein und so nach und nach verinnerlichen die beiden das Lebensgefühl der Provence, was wir als Leser nur seufzend und neidisch hinnehmen können. Diese Buch wird jenen Menschen gefallen, die sich als frankophil bezeichnen würden. Es wird aber auch jenen gefallen, die schon immer ein Plätzchen gesucht haben, wo es sich lohnen würde, den Lebensabend zu verbringen. Spätestens nach diesem Buch ist ein Besuch in der Provence fällig. Ort, die im Buch erwähnt werden: Lambesce, Apt, Menèrbes, Visan, Bonnieux, Carprentras, Cabrières, Constellet, Cavaillon, Isle Sur als Sorge, Beame de Venise, Lacoste, Lumières, Buoux, Oppède, Senanque, Roussillion, Aix-en-Provence, Gordes…

Eine Geschichte so wild wie das Land
Zum Zeitvertreib / 29. Dezember 2010

Eine Frau flieht vor ihrem Schicksal und landet am Ende der Welt – in der Normandie. Hier weht der Wind rauer als es im Leben überhaupt möglich ist und das Meer nimmt sich, was ihm passt. Genau der richtige Ort um zu trauern und zu sich zurückzufinden. Eines Tages steht ein Fremder im Ort und erkundigt sich nach einer Geschichte, die 40 Jahre zurückliegt. Damals starb eine Familie in den tückischen Strömungen, angeblich, weil das Feuer im Leuchtturm nicht brannte. So nach und nach entpuppt sich der Fremde als Hinterbliebener jener Familie – seine Eltern und sein Bruder starben damals in den Fluten. Akribisch und unnachgiebig versucht er das Geschehene zu rekonstruieren – dem Meer das Geheimnis zu entreißen. Hat der Leuchtturmwärter mit Absicht das Leuchtfeuer gelöscht? Die Frau und der Fremde steuern gemeinsam auf tragische Erkenntnisse zu. Was mich an dem Buch so gefesselt hat war der Schreibstil, der sich ein bisschen anfühlte wie die Meeresbrandung. Man sieht sie kommen, aber erst wenn sie da ist, bekommt man die Gewalt zu spüren. Es ist eine wunderbare, tragische, fesselnde Geschichte, in der man auf jeder Seite eine Wildheit spürt, die darauf wartet entfesselt zu werden. Das Buch ist wie ein…

Die Wahrheit ist das, was die Mehrheit dafür hält …
Zum Zeitvertreib / 23. Dezember 2010

Don Salvador ist ein betagter Herr, der auf einem Flughafen Putzdienst macht. Hauptsächlich unterhält er jedoch die Fluggäste mit seinen Geschichten, die – so scheint es – allesamt wahr sind. Nicht wenige davon haben sogar an diesem Flughafen ihren Anfang oder ihr Ende genommen. Und so begleitet der Leser den sympathischen Geschichtenerzähler von Kapitel zu Kapitel in denen Liebesgeschichten, Reisegeschichten, Gar Abenteuerliches und manchmal Verwirrendes erzählt wird. Bis sich schließlich am Ende die wahre Identität von Don Salvador entpuppt … Das Buch ist ein Kleinod unter den Romanen, das sich schleichend das Herz des Lesers erobert, bis man am Ende traurig darüber ist, dass man nicht noch mehr Geschichten erfährt. Für mich reiht sich der Roman in die Liga einer „Bücherdiebin“ oder eines „Firmin“ ein, allesamt Bücher mit einem Hauch Melancholie und Wehmut. Das Buch eignet sich mit Sicherheit ganz wunderbar als Lektüre, wenn man auf einem Flughafen sitzt und darauf wartet, dass die Reise endlich los geht … sehr empfehlenswert! Salvador und der Club der unerhörten Wünsche von Alberto Torres Blandina, ISBN: 978-3-42104448-8