„Ein junger Mann mit Schmerzen zu sein, nimmt einen ganz in Anspruch.“
Zum Zeitvertreib / 1. März 2015

Alles beginnt damit, dass Julian sich von Judith trennt. Nein eigentlicher tänzelt er um diese Entscheidung herum, bis sie ihm vom Judith selbst aus der Hand genommen wird. Plötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt, gerät Julians Leben ein wenig aus dem Gleichgewicht, oder besser gesagt sein seelisches Gleichgewicht hat gehörigen Seegang. Plötzlich ist nicht mehr von jener Leichtigkeit, die einem jungen Studentenleben eigentlich anhaftet. Weil Julian noch Schulden bei Judiths Vater hat, nimmt der junge Student der Veterinärmedizin den Job als Tierpfleger an, und betreut fortan ein Flusspferd, dass in privater Obhut darauf wartet von einem Zoo aufgenommen zu werden. Dort, in jenem Privathaus trifft er auf die Tochter des Hausbesitzers … Arno Geigers neuer Roman ist voller Poesie. Er schafft es die permanent depressiv anmutenden Gedanken des jungen Julian in Worte mit Tiefgang zu fassen. Wenn er schreibt: „Wir wurden uns fremd bis zum Rätsel“ so wird dem Gefühl der Fremdseins eine Tiefe beigemischt, die sich unmittelbar auf das Gemüt niederschlägt. Entfremdung, die Suche nach Glück, die Sehnsucht nach dem Partner fürs Leben, all das, Karate und ein Flusspferd ergeben ein wunderbares Buch. Selbstportrait mit Flusspferd, von Arno Geiger ISBN: 978-3-446-24761-1

Schrecklich ist vor allem, was wir nicht begreifen
Zum Nachdenken / 1. März 2011

August Geiger hat Alzheimer. Die heimtückische Krankheit wird von seinen Kindern, darunter auch dem Autor Arno Geiger, erst spät erkannt. Zuvor werden die seltsamen Anwandlungen einfach nur als Alterssturheit abgetan. Traurig und entsetzt über diese Fehleinschätzung beginnt Arno Geiger das Leben seines Vaters von nun an mit anderen Augen zu sehen, seine „Aussetzer“ als solche zu erkennen und mit ihnen zu leben. Er schildert den Alltag mit einem dementen Menschen, die Probleme mit der Verwirrtheit und der damit einhergehenden Verunsicherung, sowie die Ängste des Vaters, der mehr und mehr in eine andere Welt abdriftet. Und genau an dieser Stelle erkennt der Sohn, dass er dem Vater folgen muss, wenn er ihn nicht verlieren will. So entstehen Dialoge die Tragik und Komik in sich vereinen, die einen traurig machen und gleichzeitig lachen lassen, die einem den Spiegel vorhalten und die Frage: „Könntest du auch so reagieren oder würdest du einfach ausflippen?“ Arno Geigers Buch ist ein stilles Werk, und doch von einer imposanten Kraft durchflutet. Von der Macht des Lebens, das noch lange nicht zu Ende ist, nur weil der Geist nicht mehr ganz folgen kann. „Das einzige, was uns angesichts dieser Niederlage, die man Leben nennt, bleibt, ist der Versuch…