Kein Zeitalter kommuniziert flüchtiger als das unsere.
Zum Studieren / 7. Dezember 2017

Es ist schlecht bestellt um die Aufklärung. Galt im 18. Jahrhundert die Vernunft als vorherrschende Kraft, mit deren Einsatz man endlich Licht in so vieles brachte, das das dunkle Mittelalter prägte, so scheint es heute kein Privileg mehr zu sein, die Vernunft als ein Werkzeug einzusetzen, das es einem ermöglicht, selbst zu denken, sich eine Meinung zu bilden, kritisch zu hinterfragen, ohne blind irgendwelchen Demagogen zu folgen. „Habe Mut, die deines eigenen Verstanden zu bedienen“, dieses Credo von Imanuel Kant, wurde zum Leitspruch einer ganzen Epoche.  Ein wichtiger Faktor war dabei die Bildung: „Wissen ist Macht“, so wusste es der Philosoph Francis Bacon, der erkannte, dass es einem Menschen erst durch Bildung und Wissen ermöglicht wird, seinen Verstand zu benutzen und eine eigenständige und unabhängige Person zu werden. Und heute? Ist die Bildung in ihrem ursprünglichen Sinn überhaupt noch zeitgemäß? Geht es nicht längst schon nur noch um Kompetenz? Um das Erlernen von gewissen Fähigkeiten, um in der Welt einen Platz zu finden? Kompetenz zielt immer auf ein Können, eine Anwendung, die Lösung eines Problems. Bildung hingegen ist so viel mehr. Es ist die Einsicht über die eigenen Unzulänglichkeit. Es ist die Fähigkeit innezuhalten und sich auch selbst eine Meinung zu bilden…

„In der gläubigen Hingabe an das Netz zeigt sich die Praxis der Unbildung in ihrer religiösen Gestalt“
Allgemein , Zum Nachdenken , Zum Studieren / 15. Februar 2015

Nach der Theorie ist es jetzt also die Praxis der Unbildung, die uns Konrad Paul Liessmann anschaulich darlegt und mit zahlreichen Beispielen untermauert. Die Gutgläubigkeit in das „Netz“, das ja alles Wissen beinhaltet, und wegen dem man sich auch nicht mehr mit totem Wissen belasten muss, ist nur eines von vielen Schaufenstern, in die uns der Autor blicken lässt. Die permanente Messbarkeit von Leistung hat dazu geführt, dass das Angebot eben so aufbereitet wird, dass es messbar wird, sprich: Wissen um seiner selbst willen, ist kein messbarer Begriff, Bildung ohne dass daraus eine Kompetenz entsteht nutzlos. Was sich daraus letztendlich für eine Gesellschaft entwickeln wird, ist nicht absehbar, kann aber mit einigem Argwohn beobachtet werden. Einmal mehr brilliert der Autor mit seinem Wissen und auch seiner Sorge um das Bildungswesen, allen voran die Universitäten, die zu Ausbildungsstätten für die Wirtschaft verkommen. Es mag vielleicht in einigen Punkte allzu pessimistisch dargestellt sein, dennoch ist man angehalten seine Sinne zu schärfen und das Szenario aufmerksam zu verfolgen. So sehr die Praxis der Unbildung um sich greift, mit dem vorliegenden Buch wird ihr ein Stück weit etwas entgegen gehalten. Geisterstunde – die Praxis der Unbildung von Konrad Paul Liessmann, IBSN: 978-3552-05700-5

„Was sich im Wissen der Wissensgesellschaft realisiert, ist die selbstbewusst gewordene Bildungslosigkeit.“
Zum Nachdenken / 14. Juli 2014

Nein das Buch ist nicht polemisch. Und es ist auch keine Anklage. Es ist vielmehr eine sehr sachliche, wenn auch manchmal mit Augenzwickern dargebotene, Bestandsaufnahme von „Allem, was man wissen muss“ über „PISA“ bis hin zur Bildungsreform und seinen Blüten. Konrad Paul Liessmann beschreibt die gegenwärtige Auffassung von Bildung und Wissen und der Umgang damit. Sein größter Kritikpunkt dabei ist, dass Bildung bzw. Wissen, nicht mehr um seiner selbst Willen, bzw. um der Erkenntnis willen, angeeignet wird, sondern dass es nur noch darum geht, wie man damit Geld macht, das Ranking verbessert oder Optimierungen vornehmen kann. Studieren und Forschen mit dem Zwecke den Geist zu bilden, dafür ist weder Zeit noch genug Ressource vorhanden. Wissensmanagement, so der Autor ist die abstruseste aller Ausgeburten der Neuzeit, vor allem dann, wenn sie altes Wissen, das Bildungsvermächtnis sozusagen, so behandelt, als wäre es der letzte Dreck. Der heutigen Wissensgesellschaft geht es nur noch darum, Wissen wie ein Produkt zu behandeln, das man aufbewahrt, verteilt, weitergibt. Von Erkenntnis ist keine Rede mehr, geschweige denn die Zeit dazu eine solche zu erlangen. Zugegeben: das Buch ist nicht gerade einfach zu lesen, ja es schleift ein wenig das Gehirn, welches mitunter so verschachtelte Sätze, wie sie…