Dramatisch, düster, dicht
Zum Nägel kauen / 21. Juni 2022

Talberg ist ein Ort, wie aus der Geschichte gefallen. Hier herrscht das Böse in Menschengestalt, der Teufel selbst scheint seine Zöglinge an diesem Ort zu verwahren. Alles beginnt – so scheint es – mit dem Tod des Dorflehrers, der in einer stürmischen Nacht von seinem Aussichtsturm stürzt. War es Selbstmord oder ein erzwungener Tod? Der aus dem nahegelegenen Ort angereiste Ermittler – selbst ein Spross aus Talberg – sieht sich bald einem unlösbaren Problem gegenüber, nicht zuletzt, weil es gleich noch zwei Tote gibt. Die vielen Familienzwistigkeiten im Ort, die dunklen Geheimnisse, die jeder mit sich trägt, die Frauen, die als Hexen verschrien sind, die Männer, die allesamt ungute Gesellen sind, da gibt es jede Menge Verdächtige. Max Korn hat mit seinem Krimi aus der bayrisch-österreichischen Grenze und dem imaginären Ort Talberg ein überaus spannendes Buch geschrieben, in dem die Atmosphäre teilweise so dicht ist, dass man sie fühlen kann. Jedes Unwetter lässt einen erschaudern, jeder Weg durch den Wald das Fürchten lehren und es scheint, als würden nur die schlechtesten der Menschen in diesem gottverlassenen Ort leben wollen. Talberg 1935, von Max Korn, ISBN 9783453424593

Wenn einer eine Reise tut
Zum Zeitvertreib / 18. Dezember 2016

Das hätte sich Nora Weilheim nicht träumen lassen. Anstatt den Tod ihres Vaters still betrauern zu können, schickt dieser sie posthum auf eine Reise – mit seiner Urne. Nora soll in das Land zurückkehren, aus dem ihr Vater stammt – Österreich – und sich dort auf eine Wanderung begeben, die einer Schnitzeljagd gleicht. Die sei der einzige Weg, durch den sie ihr gar nicht so kleines Erbe antreten könne. Als Wegbegleiter wird ihr ein spießiger Anwaltsanwärter aus der Alpenrepublik zur Seite gestellt. Und so begeben sich Nora und Bernhard auf eine Reise, die für beide so gänzlich anders endet als erwartet. René Freund, ein österreichische Autor, der mir bislang unbekannt war, schafft es mich auf wunderbare Weise zu fesseln und zu faszinieren. Sein Buch ist voller Witz und Dramatik, voller Liebe und Spannung und erwartet den Leser mit einer Überraschung. Ein großartiges Buch! Niemand weiß, wie spät es ist von René Freund, ISBN: 978-3-552-06326-6

Der Mann, der stets dabei war …
Biografien / 21. Dezember 2015

Wenn es jemanden gibt, von dem ich mir die jüngere Zeitgeschichte wahrhaft gerne erklären lasse, dann ist das Hugo Portisch. Kein anderer Journalist in Österreich verfügt über ein derart umfangreiches Hintergrundwissen zu den Geschehnissen ab dem zweiten Weltkrieg. Egal, ob es sich um die Nachkriegszeit in Österreich handelt oder um die Kuba-Krise, ob der Einmarsch der Russen in der Tschechei oder der schier unglaublichen Information, dass man auch für Österreich eine russische Invasion in den 60ern für möglich hielt: Hugo Portisch weiß darüber nicht nur zu berichten, sondern er kann auch vieles aufgrund von Gesprächen mit ranghohen Politikern aller Herren Länder untermauern. Wenn man das vorliegende Zeitdokument liest, dann wird einem schon bei der einen oder anderen Passage mulmig zumute: Wieviel, so fragt man sich wurde damals ohne das Wissen der Bevölkerung abgewendet? Und was – so die Conclusio – geschieht heute direkt vor unseren Augen, ohne dass wir es wirklich sehen können. Ein neuer Hugo Portisch ist weit und breit nicht in Sicht, bleibt nur zu hoffen, dass das Original noch viele Jahre zu leben hat. Wenn er eines Tages nicht mehr ist, dann verliert Österreich seinen Geschichtsprofessor Nr. 1! Aufregend war es immer von Hugo Portisch, ISBN 978-3-71100072-9