Der Mensch im Zeitalter der Überforderung taumelt von einem Kontrollverlust zum nächsten
Zum Nachdenken / 5. Februar 2017

Wir spüren es alle – die Welt gerät mehr und mehr aus den Fugen. Da wird ein gefährlicher Narzisst plötzlich zum Präsidenten der Vereinigten Staaten angelobt. Da beschließt ein ganzes Land in Europa aus dem größten Friedensprojekt der Nachkriegsgeschichte – der EU – auszusteigen. Da stehen von heute auf morgen Zigtausende Menschen vor der Grenze und verunsichern mit ihrer Massenankunft die Bürger. Mit einem Wort: Wir sind überfordert. Und da kommt Gabor Steingart ins Spiel, der zunächst einmal sagt: Nur wer die Überforderung versteht, kann ihr begegnen. Kein Schönreden, kein Augen zu und durch, sondern ein aufmerksamen Hinschauen auf die Gegebenheiten ist gefragt. Und gleichzeitig erinnert er uns daran, sich die „Sensibilität des historischen Hinhörens“ zu erhalten, sprich: sich zu erinnern, was in der Geschichte bereits passiert ist, was funktioniert hat oder eben nicht. Er macht keinen Hehl daraus, dass wir auf dem besten Weg sind, eine Menge zu verlieren. Die Schuldfrage ist ebenso vielschichtig, wie die Frage, warum der Politik zu den aktuellen Themen so wenig einfällt. Und weil es so kompliziert geworden ist, arbeitet der Autor die Probleme nach Kapiteln ab: Amerika (und sein historisches Verschulden am Chaos im Nahen Osten, der uns heute die Terroristen ins Land bringt), Europa (und…

Das lineare Leben früherer Zeiten endet mit einem Feuerwerk an Komplexität.
Zum Nachdenken / 23. März 2013

Gabor Steingart schrieb mit seinem vorliegenden Buch eine Grabrede auf jenes Leben, das wir bislang als Normalität definierten. Dabei spricht er natürlich weniger junge Menschen an, sondern die Generation 40+. Die ist entweder „lernfähig bis zum Identitätsverlust“ (® H.M. Enzelsberger) oder sie spürt, wie ihnen jener Magnet abhanden kommt, der sie in irgendeiner Form im Leben verankerte. Die Kirche, die Familie, der Arbeitsplatz – all das waren Fixsterne, die jedoch ihre Position verlassen haben. Dabei geht das Ende der Normalität nicht abrupt vor sich, nimmt aber beständig an Fahrt auf. „Kaum hat man die Antworten gelernt, wechseln die Fragen“, schreibt der Autor und ergänzt „Wieviel Provisorium verträgt der Mensch?“ Gemeint ist damit wohl, dass wir uns doch nicht so schnell entwickeln, wie wir unsere eigene Entwicklung vorantreiben, denn „wir sind nicht nur Opfer der Veränderung, sondern auch ihre Quelle“. Es ist das Gefühl von Heimweh, das bleibt, wenn wir uns nach ein klein wenig mehr Stabilität oder Normalität zurücksehnen. So konnte man sich früher sicher sein, dass der erlernte Beruf ausreicht ein Leben zu füllen. Heute gibt es nicht nur Lebensabschnittspartner, sondern auch Lebensphasenberufe. Und doch: es ist nicht so, dass der Autor hier der guten alten Zeit nachweint! Im…