Und er bewegt sich doch
Biografien / 26. Dezember 2015

Als Tom Gschwandtner sich 1995 auf dem Weg nach Hause plötzlich in einer Wiese liegend wieder findet, weiß er sofort, dass etwas nicht stimmt: er hat das Gefühl, dass nur sein Kopf im Gras liegt, der Kontakt zum Rest seines Körpers ist abgebrochen. Die Diagnose steht auch bald schon fest – hoher Querschnitt zwischen dem 6.+7. Halswirbel. Er wird nie wieder laufen können, nur noch über das Zwerchfell atmen, und seine Finger haben auch kein Gefühl mehr. Nach einer 8monatigen Tortur von der Intensivstation bis zum Rehaaufenthalt, lernt Tom mit seinem neuen Leben umzugehen, in dem die selbsterständlichsten Dinge zum Problem werden können – das Klo gehen zum Beispiel. Begleitet von seiner Frau Gabi, die den Unfall nicht unbeschadet, aber ohne Folgeschäden überstanden hat, findet er Schritt für Schritt zurück ins Leben, obwohl diese Phrase – wie er selbst sagt – für einen Querschnittgelähmten schon ein bisschen Galgenhumor ist. Gelähmt ist nicht gestorben von Tom Gschwandtner, ISBN: 978-3-21800993-5

Der Mann, der stets dabei war …
Biografien / 21. Dezember 2015

Wenn es jemanden gibt, von dem ich mir die jüngere Zeitgeschichte wahrhaft gerne erklären lasse, dann ist das Hugo Portisch. Kein anderer Journalist in Österreich verfügt über ein derart umfangreiches Hintergrundwissen zu den Geschehnissen ab dem zweiten Weltkrieg. Egal, ob es sich um die Nachkriegszeit in Österreich handelt oder um die Kuba-Krise, ob der Einmarsch der Russen in der Tschechei oder der schier unglaublichen Information, dass man auch für Österreich eine russische Invasion in den 60ern für möglich hielt: Hugo Portisch weiß darüber nicht nur zu berichten, sondern er kann auch vieles aufgrund von Gesprächen mit ranghohen Politikern aller Herren Länder untermauern. Wenn man das vorliegende Zeitdokument liest, dann wird einem schon bei der einen oder anderen Passage mulmig zumute: Wieviel, so fragt man sich wurde damals ohne das Wissen der Bevölkerung abgewendet? Und was – so die Conclusio – geschieht heute direkt vor unseren Augen, ohne dass wir es wirklich sehen können. Ein neuer Hugo Portisch ist weit und breit nicht in Sicht, bleibt nur zu hoffen, dass das Original noch viele Jahre zu leben hat. Wenn er eines Tages nicht mehr ist, dann verliert Österreich seinen Geschichtsprofessor Nr. 1! Aufregend war es immer von Hugo Portisch, ISBN 978-3-71100072-9

Der Blick in die katholische Zukunft
Zum Studieren / 6. Dezember 2015

Welche Beweggründe mag man wohl haben, wenn man ein Buch in der Zukunft schreibt und darüber berichtet, wie sich die Kirche verändert? Andreas Salcher, der Co-Autor von „Alles oder nichts“ behauptet, dass er schon als Kind mit seinem Religionslehrer diskutiert habe. Aber wie bei allen Büchern von Andreas Salcher vermute ich dahinter einfach nur Kalkül. Zuwenig „revolutionär“ erscheint mir sein Blick in die Zukunft, denn: wenn man schon so ein Buch schreibt, dann versucht man wohl gewagteres als nur einen amerikanischen und in der Folge indischen Papst. Sicher: ein weiteres vatikanisches Konzil ist eine schöne Idee, und dass dieses sozusagen weltweit stattfindet und nicht nur im Vatikan ist auch interessant. Doch selbst Andreas Salcher sieht in seiner skizzierten Zukunft keinen Platz für Frauen als Priester, auch wenn sie in den Verantwortungen nachrücken. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass es nur ein Herumgerede ist, aber bei weitem nicht absolut visionäres oder gar sensationelles. Sogesehen ist der Blick in die kirchliche Zukunft nett zu lesen, wird aber keine Spuren hinterlassen, obwohl es stark den Eindruck hat, dass dies der Plan des Autors ist – sozusagen das Pferd von hinten aufzäumen. Warum wird Teilhard de Chardin so dermaßen stark in den…