Von einer unglaublich heimtückischen Krankheit
Zum Heulen / 30. Mai 2016

Joe und Rosie O’Brien führen ein glückliches irisch-amerikanisches Leben in Boston. Gesegnet mit vier Kindern, Katie, Meghan, JJ und Patrick, bewohnen sie ein nettes Haus im irischen Viertel. Doch dunkle Schicksalswolken brauen sich über den O’Briens zusammen, die zunächst noch harmlos anmuten: Joe verliert wegen eine Kleinigkeit die Beherrschung und schleudert eine Bratpfanne gegen die Wand. Jahre später, die Kinder sind mittlerweile erwachsen, häufen sich bei ihm Stürze und andere Ungeschicktheiten, stets verbunden mit dem inneren Gefühl von unkontrollierbarer Wut. Als er bei einem Polizeieinsatz schließlich für betrunken gehalten wird, besteht seine Frau darauf einen Arzt aufzusuchen. Die niederschmetternde Diagnose: die Chorea-Huntington-Krankheit. Doch schlimmer noch als die Tatsache, dass Joe dem sicheren Tod geweiht ist und seine Pensionierung wohl nie erleben wird, ist der Umstand, dass diese heimtückische massiv degenerative Erkrankung des Gehirns genetisch bedingt und somit vererbbar ist. Und bald schon ist klar, dass zwei seiner vier erwachsenen Kinder das selbe Schicksal ereilen wird. Einmal mehr lässt und Lisa Genova an einer Krankheitsgeschichte teilhaben, um uns die Augen für den Schrecken zu öffnen, der sich in so vielen Krankheiten verbirgt. Der Leser erlebt gemeinsam mit der irischen Familie was es heißt, nach und nach seine motorischen Fähigkeiten zu verlieren…

Eine Familiengeschichte mit langen Greifarmen
Zum Nägel kauen / 28. Mai 2016

Marcus Goldman, angesehener Schriftsteller, wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Von jener Geschichte der Goldmans, wie sie nur das Leben schreiben kann. Von den reichen Goldmans aus Baltimore und den durchschnittlichen aus Montclaire, von der Sehnsucht nach Anerkennung und von Neid, von schicksalhaften Begebenheiten und wie sie einen Stein unaufhaltsam ins Rollen bringen. Diesmal geht es um die Geschichte seiner Cousins aus Baltimore, von denen einer ein echter Goldman ist und der andere ein Ziehsohn, der alles tut, um ein echter Goldman zu sein. Woody aus dem Kinderheim und Hillel Goldman finden in Kindertagen zueinander. Der eine reich, der andere stark, beschützen und behüten sie einander und bilden gemeinsam mit ihrem Cousin Marcus die Goldman-Gang. Im angesehenen Wohnviertel sind sie gerne gesehen, helfen im Garten, leben ihr Leben und dennoch wartet das Schicksal bereits um die Ecke nur darauf zuzuschlagen. Das glückliche Leben der Baltimore-Goldmans endet mit Tod und Einsamkeit. Und all das – so beschließt Marcus Goldman als Schriftsteller – sollte dringend in seiner richtigen Form berichtet werden. Einmal mehr schafft es Joel Dicker einen Spannungsbogen aufzubauen, der einen von der ersten bis zur letzen Seite fesselt. Oder – wie es eine Buchhändlerin als Rezension auf das Buch schrieb: Lesen Sie…

„Jeder zweite wird an Krebs erkranken“
Zum Nachdenken / 25. Mai 2016

– so beginnt das Buch und schockt uns gleich mit konkreten Zahlen. Die Babyboomer Generation von 1950-1970 ist am meisten davon betroffen. Warum? Zunächst einmal, well wir älter werden. Hat uns bislang sozusagen der Tod vor der Diagnose Krebs bewahrt, so ist die höhere Lebenserwartung gleichzeitig das Spielfeld für den Krieg der Zellen im Körper. Hinzu kommt, dass die Generation auch außergewöhnlich sorglos mit dem Leben umgeht. Rauchen, Übergewicht,  Bewegungsmangel und Alkohol sind (in dieser Reihenfolge!) jene Faktoren, die dem Krebs überhaupt erst die Plattform bieten. Der Rest ist – im wahrsten Sinne – Zufall. Erschütternd dabei ist die Erkenntnis, dass viele Behandlungsmethoden, die sich allesamt in den letzten Jahren verbessert haben, entweder unleistbar sein werden oder aber aus Profitgier falsch eingesetzt werden. Und das ist keine Polemik, die hier im Buch betrieben wird! Der Auto Karl Lauterbach weiß von was er spricht, und untermauert seine Thesen, Befürchtungen und Anschuldigungen mit knallharten Fakten aus dem deutschen Gesundheitsbereich. Unterm Strich bleibt, dass viel zu viel Macht bei den Pharmakonzernen liegt, zuwenig in die Grundlagenforschung investiert wird, die Patienten unzureichend informiert werden und machmal mit falschen Hoffnungen abgespeist werden, anstatt ihnen einen ehrlichen Zugang zum bevorstehenden Lebensende zu ermöglichen. Als Leser klappt…

Weil man etwas dagegen tun sollte
Zum Nachdenken / 20. Mai 2016

Eigentlich wäre es zum totlachen, wenn es nicht so traurig wäre. Das Buch von Andreas Hock, der wie ein Don Quichote gegen die Verluderung der Sprache ankämpft, ist überaus unterhaltsam. Zumindest für jene, denen die Sprache an sich egal ist, weil sie ja nur etwas ist, mit dem man dem anderen sagen kann, dass er die Schnauze halten soll. Der kleinen Gruppe an Sprachgalliern, die in einem einsamen Dorf vehement dagegen ankämpfen von einer Heerschar an Analphabeten und Sprachspastikern überrannt zu werden, bleibt der Lacher aber vermutlich da und dort im Halse stecken. Oder aber, sie spüren schon die aufkeimende Depression, die sich ab der Mitte des Buches ankündigt. Doch nein, wir wollen fröhliche bleiben: ja, es macht Spaß dem Feldzug des Autors zu folgen und seinen durch die Bank stichhaltigen Argumenten „weil wir zu zwitschern begonnen haben“, „weil wir alles abkürzen wollen“, „weil wir Döner nur mit scharf essen“ …., nickend zuzustimmen. Und am Ende des Buches darf man sich dann über eine illustre Zahl an Wörtern erfreuen, die auf der Liste der bedrohten Arten stehen. Erfreuen deshalb, weil sie im Kontext der neusprechenden Sager geradezu ein Brüller sind. Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann von…

Eine letzte Reise
Entbehrlich / 10. Mai 2016

In jungen Jahren hat Eugene Chaney, genannt Doc, seiner Freundin Nancy Travis etwas versprochen. Er würde ihr helfen das Leben zu beenden, sollte sie jemals die selbe Erkrankung wie ihre Mutter erleiden: Alzheimer. Zwar hatten sich die beiden damals auch ewige Liebe geschworen, doch daraus wurde nichts. Eugenes Leben nahm einen anderen, nicht minder tragischen Verlauf. Doch eines Tages kommt der Anruf von Nancy, der ihn an seinen Schwur erinnert. So macht sich der alte Mann auf den Weg, um seine Jugendliebe auf dem letzten Weg zu begleiten. Unterstützung hat er dabei von einem weiteren Freund aus Jugendtagen, seinem Patenkind und einem Jungen auf der Flucht. Das Buch mäandert zwischen Erinnerungen und Rückblenden, zwischen Lebensläufen und der aktuellen Handlung, was den Spannungsbogen nicht gerade hoch hält. Auch sind einige Passagen dabei, bei denen ich mich frage, warum ein Autor der Meinung ist, dass das wichtig oder lustig sei. Die Grundgeschichte „zwei alte Freunde helfen einander“ klingt spannend und man hätte vielleicht mehr daraus machen können. So aber plätschert die Geschichte dahin, man schließt den Buchdeckel und hat beinahe schon die Namen der Protagonisten vergessen. Letzter Bus nach Coffeeville von J. Paul Henderson, ISBN 978-3-257-06959-4

Die digitale Zeitverschwendung
Zum Nachdenken / 1. Mai 2016

Gewusst, oder besser gesagt, gefühlt haben wir es schon immer. Nämlich, dass es mit der Gesellschaft und der Intelligenz der Menschen rapide bergab geht. Anders lässt es sich nicht erklären, warum die Leute sich dermaßen in die digitale Abhängigkeit von Facebook und Co. begeben, private Dinge und persönliche Meinungen preisgeben, und sich dann wundern, wenn ein Shitstorm über sie hereinbricht, oder 1.000 Leute zur privaten Geburtstagsfeier kommen oder das Haus ausgeräumt wird, nur weil man lauthals verkündet hat, dass man jetzt 3 Wochen in Amerika weilt. Andreas Hock skizziert in seinem Buch sehr anschaulich, mit einer Menge Lacher, die allerdings oft im Hals stecken bleiben, aber auch mit einer gehörigen Portion mahnender Worte, wie es um unsere Gesellschaft bestellt ist. Jene, die diese Gefühl von Befremdung in sich tragen, werden sich auf 200 Seite bestätigt sehen, jene, die Antworten suchen, eine Menge Erklärungen finden und alle anderen werden weiterhin fröhlich Ihre Unwichtigkeiten in die Welt posaunen, in dem Glauben, dass sich irgendjemand dafür interessiert. Gutes Buch! Like mich am Arsch, von Andreas Hock, 978-3-86833-330-0