Kein Zeitalter kommuniziert flüchtiger als das unsere.

7. Dezember 2017
Es ist schlecht bestellt um die Aufklärung. Galt im 18. Jahrhundert die Vernunft als vorherrschende Kraft, mit deren Einsatz man endlich Licht in so vieles brachte, das das dunkle Mittelalter prägte, so scheint es heute kein Privileg mehr zu sein, die Vernunft als ein Werkzeug einzusetzen, das es einem ermöglicht, selbst zu denken, sich eine Meinung zu bilden, kritisch zu hinterfragen, ohne blind irgendwelchen Demagogen zu folgen. „Habe Mut, die deines eigenen Verstanden zu bedienen“, dieses Credo von Imanuel Kant, wurde zum Leitspruch einer ganzen Epoche.  Ein wichtiger Faktor war dabei die Bildung: „Wissen ist Macht“, so wusste es der Philosoph Francis Bacon, der erkannte, dass es einem Menschen erst durch Bildung und Wissen ermöglicht wird, seinen Verstand zu benutzen und eine eigenständige und unabhängige Person zu werden. Und heute?
Ist die Bildung in ihrem ursprünglichen Sinn überhaupt noch zeitgemäß? Geht es nicht längst schon nur noch um Kompetenz? Um das Erlernen von gewissen Fähigkeiten, um in der Welt einen Platz zu finden? Kompetenz zielt immer auf ein Können, eine Anwendung, die Lösung eines Problems. Bildung hingegen ist so viel mehr. Es ist die Einsicht über die eigenen Unzulänglichkeit. Es ist die Fähigkeit innezuhalten und sich auch selbst eine Meinung zu bilden ohne in einer sozialen Filterblase zu ertrinken. Es ist eine gewisse Gelassenheit gegenüber der permanenten Skandalisierung, der Panikmache, der Ausrufung des Weltuntergangs, um ernsthaft zu prüfen, was an der Sache dran ist. Das mag nur dann gelingen, wenn man nicht nur Fähigkeiten besitzt, sondern auch ein solides Grundwissen – beispielsweise über die Vergangenheit, über die Geschichte, über Denkrichtungen, die es sicher alle schon einmal gegeben hat, usw.
Liessmann, als Universitätsprofessor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik erhebt einmal mehr den mahnenden Zeigefinger und erinnert uns daran, dass wir – die wir einer breiten bürglichern Schicht angehören – schon etwas mehr tun sollten, als nur Beiträge anderer zu liken. Selber denken ist zu einem Luxusgut geworden. Nicht immer alles Abnicken und automatisch für gut befinden, nur weil alle ins selbe Horn blasen, ist mitunter eine Herausforderungen.
Bildung als Provokation
von Konrad Paul Liessmann, 9783552058248

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