In die Berg’ bin i gern … oder doch lieber nicht?
Zum Nägel kauen / 14. Juli 2017

Jeremiah Salinger ist ein amerikanischer Drehbuchautor, der mit seiner Ehefrau Anneliese und seiner Tochter Clara den weiten Weg von New York nach Siebenhoch auf sich nimmt – einem kleinen Südtiroler Bergdorf aus der Anneliese stammt. Ein schwerer Schicksalsschlag, bei dem Salinger fast ums Leben kommt sorgt dafür, dass sie länger in Südtirol bleiben als erwartet. Salinger, der dennoch stets seinen Instinkten auf der Suche nach eine guten Story folgt, hört irgendwann zum ersten Mal die Geschichte vom Blettenbach-Massaker, bei dem drei Menschen auf grauenvolle Weise hingemetzelt wurden. Die Geschichten, die sich darum ranken und die Schlucht selbst beherbergen Geheimnisse und Wahrheiten in sich, die man besser im Verborgenen lassen sollte, doch Salinger lässt nicht locker. Im weiter und weiter zieht es ihn hinab in einen Strudel aus Lügen und Vermutungen, bis er schließlich die ganze Wahrheit erfährt – zu einem hohen Preis, den seine Familie zu bezahlen hat … Der Autor, Luca d’Andrea, stammt selbst aus der Gegend, von der er schreibt und das merkt man in jedem Detail: bei den Charakteren, bei der Landschaft, bei den Eigenheiten, wie sie einem Bergvolk eben innewohnen. Obwohl die Geschichte Fiktion ist, stellt man sich dennoch die Frage: Gibt es die Blettenbachschlucht wirklich? Und ist sie von prähistorischer…

Überlebenskampf im Eismeer
Allgemein , Zum Nägel kauen / 12. Juli 2017

Matt Lewis ist Meeresbiologie. Als er endlich die Chance erhält auf einem Fischtrawler ins Südpolarmeer mitzufahren, ist die Freude zunächst groß. Sie wird schon etwas kleiner, als der das Schiff, das in Kapstadt vor Anker liegt, sieht. Es ist nicht im besten Zustand und obwohl es in die wildesten Gewässer dieses Planeten geht, scheint die ganze Mannschaft nicht gerade bestens ausgerüstet zu sein. Das Schiff sticht in See mit dem Ziel Seehechte zu fangen. Sie fahren südlicher und südlicher hinab ins Polarmeer weit über den 50. Breitengrad. Ein Unwetter braut sich zusammen und wie so oft ist es menschliches Versagen, das zu jener Katastrophe führt, für die Matt Lewis Jahre braucht, um überhaupt darüber berichten zu können … Das vorliegende Buch ist ein Seefahrerbericht. Ohne viel Emotion, aber voller Fakten, die umso anschaulicher demonstrieren, wie eine Fehlentscheidung nach der anderen dazu führt, dass letztendlich 17 Mann in einer gefluteten Rettungsinsel sitzen, bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt. Wer wahre Geschichten mag, ist mit diesem Buch gut beraten. Wer in der Sommerhitze nach Abkühlung sucht ebenso, denn man spürt förmlich den eisigen Wind, der einem ins Gesicht bläst. Und sollte jemand beim Lesen dieses Buches gerade die Füße ins Meer hängen…

Das Digitale ist und bleibt eine Simulation – das echte Leben findet analog statt
Allgemein / 9. Juli 2017

Viele werden gleich sagen, dass da schon wieder einer dem Digitalen den Schwarzen Peter zuschiebt, oder einfach nicht mit der Zeit gehen will. Aber genauso viele werden zustimmend nicken und feststellen: was David Sax in seinem vorliegen Buch „Die Rache des Analogen“ schreibt, ist wahr – und real. So skizziert der Autor den Niedergang der Musikbranche, als zunächst Vinyl und Audiokassetten und zugute rletzt auch noch CD obsolet wurden, weil die Musik plötzlich überall konsumierbar geworden war. Er beschreibt – und das Gefühl kenne ich nur allzu gut – den Verlust von echtem Hörvergnügen, dem eine Vorfreude vorausging, als man die Schallplatte zunächst im Geschäft anhörte, dann nach Hause tragen musste und schließlich auf den Plattenspieler legte, um sich im satten Klang eingehend mit dem Plattencover und -inlay zu beschäftigen, das immer ein Kunstwerk war. Er erzählt uns auch die Geschichte von analoger Fotografie, die einen neuen Weg findet in Kameras, die bewusst nicht perfekt sind, sonder eben das reale Leben widerspiegeln. Ebenso die Geschichte des berühmtesten Notizbuchs der Welt – Moleskine, oder jene einer Uhrenmanufaktur, die ausgerechnet vom darniederliegenden Detroit aus die Welt erobert. Auch die Tatsache, dass Brettspiele sich erstarkter Beliebtheit erfreuen und Spiele-Cafes aus dem Boden schießen,…

Das Leben als ewige Schleife voller Möglichkeiten
Zum Nägel kauen / 2. Juli 2017

Harry August stirbt – schon wieder. Und er kommt neuerlich auf die Welt. Sein Leben ist ein wiederkehrender Kreislauf mit der Fähigkeit, sich alles aus den vorigen Leben zu merken. So wird Harry Arzt und Drogendealer, Flugzeugtechniker und Visionär und immer wieder durchlebt er die selbe Zeit ab dem 1. Weltkrieg. Nach mehreren Leben weiß er, wie er den zweiten Weltkrieg überlebt, wie er schneller zu Geld kommt, wer einen Mord begeht, und wie er diesen im nächsten Leben verhindern kann. Eines Tages jedoch steht ein Mädchen an seinem Sterbebett und sagt ihm, dass die Welt in absehbarer Zeit im Begriff ist unterzugehen. So beginnt für Harry die Suche nach der Ursache, die wohl in seiner Zeit liegen muss. Mithilfe des Chronos-Clubs, einer Gemeinschaft gleichgesinnter kommt Harry dem Unausweichlichen Leben für Leben näher und wird schließlich auch fündig … Was Claire North hier gelungen ist, wurde zu Recht als bester Science Fiction Roman ausgezeichnet. Er ist fantasievoll, komplex, unglaublich spannend und voller genialer Ideen. Darüber hinaus ist das Buch in deutscher Sprache eine echte Lesewohltat voller feingeschliffener Worte und wohlgeformter Sätze, sodass man davon ausgehen kann, dass das Original in englischer Sprache ebenso hochkarätig geschrieben ist. Spannung, Lesespaß, feine Wortwahl…