Sind Flüchtlinge das Thema für einen Satire?

15. September 2018

„Engel im Elend“ ist eine zweitklassige Sendung auf einem deutschen Privatsender, der versucht aus der Armut anderer ein pseudoseriöses Format zu machen. Die Moderatorin, Nadeche Hackenbusch, ist da genau die Richtige: im Oberstübchen föhnig aufgelockert, aber den Willen erfolgreich zu sein. Eines Tages kommt dem TV-Sender die Idee, dass der Engel doch mal ins echte Elend fahren könnte – in ein riesiges Flüchtlingslager mitten im Nirgendwo Afrikas. Nadeche packt also ihre Koffer samt jeder Menge Designerklamotten, lässt sich eine Rolf Benz Couch nach Afrika liefern und fährt dort mit einem pinkfarbenen zebragemusterten Jeep durch ein Lager, das es von der Größe her gut mit einer Stadt aufnehmen kann. Doch dann ändern sich ein paar Dinge und plötzlich in Nadeche wildentschlossen: den 150.000 Flüchtlingen, die hier ihr Dasein fristen, muss geholfen werden. Mit Lionel – dem Promiflüchtling an ihrer Seite – arbeitet sie fortan für Verbesserungen im Lager. Und dann? Dann haben die beiden die großartigste Idee von allen – sie bringen die Flüchtlinge auf dem Fußweg nach Deutschland – und zwar alle.

Wie schon in seinem ersten Buch „Er ist wieder da“ kokettiert der Autor mit einer abstrusen Idee und zieht sie ins Lächerliche bis hin zu dem Moment, wo einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Nein man darf sich nicht über Flüchtlinge lustig machen und das tut Timur Vermes auch nicht. Er verarscht die Deutschen in ihrer Art zu glauben, dass sie alles lösen können und die Dinge im Griff haben. Dass sich dabei ein echte Drama abspielt – und zwar an der österreichisch-deutschen Grenze! – das ist dem Thema geschuldet. Was also ist der Roman nun? Lustig, zynisch, traurig? Er ist zu einem sehr großen Teil ein Spiegel unserer Zeit und die Möglichkeit, dass es sich irgendwann tatsächlich so abspielen könnte, ist gruselig real. Hoffen wir also, dass der Autor kein Prophet ist, denn das Ende verspricht nichts Gutes – für niemanden.

Wie schon vor fünf Jahren, als der Debütroman mit Hitler in der Hauptrolle herauskam, ist es Timur Vermes auch diesmal gelungen, ein absolut heißes Eisen anzufassen, ohne sich zu verbrennen. Und einmal mehr muss ich sagen: das ist für mich das Buch des Jahres!

Die Hungrigen und die Satten
von Timur Vermes, ISBN 978-3-8479-0660-5

No Comments

Comments are closed.