Dramatisch, düster, dicht
Zum Nägel kauen / 21. Juni 2022

Talberg ist ein Ort, wie aus der Geschichte gefallen. Hier herrscht das Böse in Menschengestalt, der Teufel selbst scheint seine Zöglinge an diesem Ort zu verwahren. Alles beginnt – so scheint es – mit dem Tod des Dorflehrers, der in einer stürmischen Nacht von seinem Aussichtsturm stürzt. War es Selbstmord oder ein erzwungener Tod? Der aus dem nahegelegenen Ort angereiste Ermittler – selbst ein Spross aus Talberg – sieht sich bald einem unlösbaren Problem gegenüber, nicht zuletzt, weil es gleich noch zwei Tote gibt. Die vielen Familienzwistigkeiten im Ort, die dunklen Geheimnisse, die jeder mit sich trägt, die Frauen, die als Hexen verschrien sind, die Männer, die allesamt ungute Gesellen sind, da gibt es jede Menge Verdächtige. Max Korn hat mit seinem Krimi aus der bayrisch-österreichischen Grenze und dem imaginären Ort Talberg ein überaus spannendes Buch geschrieben, in dem die Atmosphäre teilweise so dicht ist, dass man sie fühlen kann. Jedes Unwetter lässt einen erschaudern, jeder Weg durch den Wald das Fürchten lehren und es scheint, als würden nur die schlechtesten der Menschen in diesem gottverlassenen Ort leben wollen. Talberg 1935, von Max Korn, ISBN 9783453424593

Durchblick für undurchsichtige Zeiten
Zum Studieren / 13. Juni 2022

Wer kann von sich behaupten, dass er angesichts der vielen Krisen, die es auf der Welt gerade gibt, noch den Durchblick hat? Und wer kennt die vielen geschichtlichen Verästelungen, die erst zu dem geführt haben, was heute politisch Sache ist? Wer an dieser Stelle demütig den Kopf schüttelt, dem kann geholfen werden. Politik- Berichterstatter Kurt Seinitz ist über Jahrzehnte hinweg durch die Welt gereist und hat bei dieser Gelegenheit Präsidenten und Staatsmänner, Anführer und Aufwiegler getroffen. So kann er im wahrsten Sinne auf die Geschichte zurückblicken und gerade angesichts der aktuellen Geschehnisse in der Ukraine auch mit einigen Erklärungen und Hintergrundinformationen aufwarten. Sehr lesenswert, wenn man ein bisschen mehr von dem verstehen will, was gerade abgeht. Was für ein Jahrhundert, von Kurt Seinitz, ISBN 978-3-99001601-5

Stell dir vor, du weißt, was in einem Jahr passieren wird …
Zum Nägel kauen / 2. Mai 2022

Adhi Chaudry ist Student und fasziniert von der Quantentheorie. Seine Vision: einen Computer zu bauen, der den Blick in die Zukunft ermöglicht. Ben Boyce, sein Studienkollege und Freund ist begeistert von dieser Idee und gemeinsam gründen sie ein Start-up. Als es ihnen schließlich gelingt, einen Quantencomputer zu entwickeln, der es möglich macht, exakt ein Jahr in die Zukunft zu schauen, stehen ihnen bei den Investoren Tür und Tor offen. Doch nicht nur am Kapitalmarkt hat man ein Auge auf das Duo geworfen, auch der amerikanische Kongress will mehr darüber wissen und sieht in der neuen Technologie eher den Weltuntergang als Fortschritt. Und tatsächlich scheinen sich mit jedem Blick in die Zukunft, den die beiden Jungunternehmer werfen, die Parameter zu verändern … Der Autor hat für dieses Gedankenexperiment einen sehr eigenwilligen Schreibstil gewählt. Die gesamte Story wird anhand von E-Mails, Handynachrichten und dem Kongress-Protokoll erzählt. Es gibt keinen „Erzähler“ im klassischen Sinne, sondern nur die Gespräche, die protokolliert sind, was den Zugang zu den Geschehnissen zum einen interessant macht, zum anderen aber vielleicht auch da und dort den Spannungsbogen vermissen lässt. Darüber hinaus hat der Autor geradezu prophetische Fähigkeiten bewiesen: bei einem Blick in die Zukunft stellt sich nämlich heraus, dass…

Ein düsterer Literat löst einen schicksalhaften Mord
Zum Nägel kauen / 18. April 2022

Gus Landor, seines Zeichens ehemaliger Ermittler bei der Polizei in New York, wird an einem Tag im Jahr 1830 zur Militärakademie nach Westpoint gerufen, wo ein bizarrer Mord für Unruhe sorgt. Als Begleitung auf seiner Suche nach dem Mörder wird ihm ein Kadett zugeteilt – niemand geringerer als Edgar Allan Poe. Bei ihrer gemeinsamen Suche nach dem Mörder offenbaren sich jedoch immer mehr Abgründe. Bald ist von einem Hexenzirkel die Rede und auch der hagere Mr. Poe scheint einiges zu verheimlichen. Als ein weiterer Mord passiert, liegt eine schwere Düsternis über der Akademie und die Verliebtheit von Mr. Poe, dessen Herz der zauberhaften Lea Maurice zufliegt, trägt das seine dazu bei, dass eine Lösung der Mordfälle in weite Ferne rückt. Und doch lassen sich dunkle Geheimnisse nicht für immer verbergen, was zu einem überaus überraschendem Ende führt. Der vorliegende Krimi ist im klassischen Stil von viktorianischen Krimis geschrieben: eine fein geschliffene Sprache, die es mehr der Fantasie überlässt, sich alles auszumalen, eine undurchdringliche Geschichte, mit vielen Windungen und nicht zuletzt zwei Protagonisten, die einander perfekt ergänzen – das ist der Cocktail, den man genussvoll zu sich nimmt. Der denkwürdige Fall des Mr. Poe, von Louis Bayard, ISBN: 978-3-458-68203-5

Fly me to the moon …
Zum Nachdenken , Zum Nägel kauen / 20. Februar 2022

Wir schreiben das Jahr 1952. Elma York genießt ein Wochenende mit ihrem Mann in den Bergen, als ein Meteorit vor der Küste Washingtons einschlägt – mit verheerenden Folgen. Nicht nur, dass zigtausende ihr Leben verlieren, auch bahnt sich eine klimatechnische Katastrophe an, die es notwendig macht, dass die Menschen binnen weniger Jahrzehnte eine neue Heimat finden, weil der Planet unbewohnbar sein wird. Doch anders als in der heutigen Zeit sind die angehenden 1960er Jahre alles andere als fortschrittlich, zumindest was die Diskriminierung von Schwarzen oder Frauen anlangt. Auch Elma York hat darunter zu leiden, obwohl sie eine brilliante Mathematikerin und noch dazu Kampfpilotin ist und obwohl sie in der Raumfahrt wesentlich dazu beiträgt, dass die Menschen eine Raumstation zu planen beginnen, um der Kolonialisierung auf einem anderen Planeten Vorschub zu leisten. Gemeinsam mit ihrem Mann Nathaniel, der Raumfahrtsingenieur ist, arbeitet sie daran, die ersten Menschen auf den Mond zu bringen, und unter ihnen soll auch die erste Frau sein … Das vorliegende Buch erinnert stark an den Film „Hidden Figures“, in dem es um schwarze Frauen ging, die als Rechnerinnen der amerikanischen Raumfahrtbehörde mithalfen, dass die bemannte Raumfahrt ein Erfolg wurde. Hier in diesem Roman werden natürlich ein paar Zeitstränge…

Wenn eine Zufallsmaschine unsere Geschicke bestimmt
Zum Nachdenken , Zum Nägel kauen / 13. Februar 2022

Sie ist also da – die Klima-Allianz bestehend aus den drei globalen Mächten USA, China und Russland. Ihr Ziel: die Rettung des Planeten durch einschneidende Klimaschutzmaßnahmen. Die UNO als klassisches Instrument der globalen Verständigung hat ausgedient. Das Dreier-Konglomerat macht unmissverständlich klar, dass sie in Sachen Klimaschutz fortan bestimmt, wo es lang geht. Eigene Ministerien werden geschaffen, die sich in eigenen Forschungsabteilungen auch mit der Technologie von Quantencomputern beschäftigen. Das Ziel soll sein, dass dieser Quantencomputer Vorhersagemodelle erstellen kann, die aufzeigen, inwieweit die Klimaschutzmaßnahmen greifen oder nachgeschärft werden müssen. Sie sollen aber auch aufzeigen, welche Wetterveränderung unter Umständen neue Plagen auf den Plan rufen – z.B. Heuschrecken. Alles in allem steckt dahinter nichts anderes als die magische Kristallkugel, die den Blick in die Zukunft gewährt. Da ist es nur logisch, dass dies auch finstere Mächte auf den Plan ruft – z.B. einen indischen Millionär, dem es gar nicht schmeckt, dass Indien sehr strenge Vorgaben erfüllen muss, um in die neue Klima-Allianz aufgenommen zu werden. Und so passiert, was passieren muss: der Quantencomputer wird bald zu einem Schreckensinstrument, dass es einigen wenigen ermöglicht, im wahrsten Sinne „Herr über das Schicksal“ zu spielen. Das vorliegende Buch ist die Fortsetzung des Bestsellers „Der neunte…

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen …
Zum Nachdenken / 7. Februar 2022

Tipping-Points bzw. Kipp-Punkte, sind Ereignisse, die eine Sache, ein System, eine Ordnung plötzlich verändern und zwar nachhaltig und für immer. Sie heißen auch Bifurkationspunkte, weil sie – einer Gabel gleich – Scheidewege anzeigen, wo Dinge dann eben in einer anderen Bahn weiterlaufen. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen direkten Kipp-Punkten also plötzlichen Ereignissen, die nicht vorauszusehen waren – etwa ein Vulkanausbruch, der einen Tsunami erzeugt. Dann gibt es kontextuale Kipp-Punkte, also Ereignisse, die dem aufmerksamen Betrachter schon lange ins Auge gestochen sind, bzw. deren Erkennen erahnen lässt, dass es bald zu einem Ereignis kommen wird. Wenn man also das Umfeld betrachtet, erkennt man mitunter sehr viel früher, dass hier Kipp-Momente drohen und kann vielleicht noch dagegen wirken. Kurzum: Kipp-Momente sind in vielen Fällen kein Schicksal, sondern kündigen sich an – vor allem in gesellschaftlichen Dingen! Die beiden Autoren beleuchten unter diesen Gesichtspunkten nun verschiedene Themen – von der Demokratie bis zur Digitalisierung, von der EU bis zu China, vom der Öko-Krise bis zum Arbeitsmarkt und versuchen mögliche Kipp-Punkte herauszufiltern. Es geht dabei in erster Linie um ein tieferes Verständnis, bzw. darum ein Gefühl dafür zu bekommen, wie aus Krisen echte Kipp-Punkte werden können. Es geht aber auch um die Frage, ob diese…

Teile davon könnten wahr sein …
Zum Nägel kauen / 9. Januar 2022

Ellen Adams ist als Außenministerin eine Quereinsteigerin. Nie hätte sie gedacht, dass der neue Präsident Dough Williams auf sie setzen würde. Und es dauert auch nicht lange, bis sie in ihrer Funktion zum ersten Mal scheitert. Doch all das rückt rasch in den Hintergrund, als in drei Großstädten Europas jeweils eine Autobombe in einem Bus hochgeht und sich ein alter Widersacher als neuer Feind herausstellt. Nur: diesmal muss sie ein ganzes Land verteidigen und das nicht nur gegen den Terror, der von außen kommt, sondern auch gegen den Versuch, Amerika politisch neu auszurichten. Wer hier beim Lesen unmittelbar ein Donald Trump denkt, der liegt damit vermutlich richtig, auch wenn der Ex-Präsident in dem Buch ganz anders heißt. Dennoch sind die Parallelen unverkennbar, was auch kein Wunder ist, wenn man weiß, wer die beiden Autorinnen des Politthrillers sind: Louise Penny und Hillary Clinton! Die Job-Beschreibung der Außenministerin lässt stark vermuten, dass Hillary Clinton doch einiges aus dem Nähkästchen zu erzählen wusste, und wenn nur Teile davon stimmen, dann wird einem schon mulmig zumute. Letztendlich ist es ein ausgezeichnetes Buch das schnell Spannung aufbaut und für ein kurzweiliges Lesevergnügen sorgt. Das Duo kann gerne noch ein weiteres Buch schreiben! State of Terror,…

»I think the next century will be the century of complexity«
Allgemein , Zum Nachdenken , Zum Studieren / 25. Dezember 2021

Diese Worte von Stephen Hawking umschreiben in groben Zügen den Inhalt des Buches von Dirk Brockmann. Der Komplexitätsforscher begibt sich in der Natur auf die Suche nach Mustern, die auch das Verhalten von Menschen in bestimmten Situationen erklärt. Dabei begibt er sich auf das wissenschaftliche Feld von Physikern, Mathematikern und Biologen und beschreibt in möglichst einfachen Worten (was aufgrund des Themas nicht immer möglich ist), wie beispielsweise Kipp-Punkte entstehen und warum diese sich dann nicht mehr rückgängig machen lassen (Stichwort Klimawandel). Oder wie die Ansteckung zwischen Menschen mit COVID-19 bzw. Waldbrände funktionieren und warum dabei Knotenpunkte eine so große Rolle spielen. Es ist manchmal erstaunlich, wenn nicht sogar wirklich faszinierend, wie ähnlich das menschliche Verhalten dem von Tieren und sogar von Pflanzen ist. Und wenn man die Skizze vor Augen hat, die zeigt, wie viele Lebewesen es auf der Welt gibt und wie groß dabei der Anteil der Spezies Mensch ist, dann fragt man sich unweigerlich, wie man auch nur im Ansatz glauben kann, dass wir etwas Besonderes sind. Im Wald vor lauter Bäumen – unsere komplexe Welt besser verstehen von Dirk Brockmann, ISBN: 978-3423282994

Die Corona-Pandemie als Brandbeschleuniger eines gesellschaftlichen Wandels?
Zum Nachdenken , Zum Studieren / 16. April 2021

Wenn die 2020/2021 vorherrschende Pandemie eines gezeigt hat, dann, dass mit der Gesellschaft etwas nicht in Ordnung ist. Anders lässt sich nämlich nicht erklären, warum es Menschen gibt, die nicht nur Corona als Schnupfen abtun, sondern gleich den ganzen Staat als Pakt von Lügnern bezeichnet. Wörter wie Diktatur und Faschismus werden plötzlich in einem Kontext verwendet, der so gar nichts mit der ursächlichen Bedeutung des Begriffs zu tun hat und das alles, weil wir derzeit dazu aufgerufen sind, Disziplin zu wahren, auf den anderen zu schauen und einen Mundschutz zu tragen. Richard David Precht gibt mit seinem vorliegenden Buch „Von der Pflicht“ eine ausgezeichnete Erklärung dafür ab, warum genau diese Pflicht von immer mehr Bürgern nicht mehr gesehen, bwz. als lästig empfunden wird. Er erklärt zum einen, was das Wort Pflicht im Zusammenhang mit der Staatspflicht zu tun hat, er erklärt aber auch, dass es eine Bürgerpflicht gibt, ohne die nun mal kein Staat zu machen ist. Es ist eine Sache der Freiwilligkeit also, und eine von Moralempfinden gegenüber seinen Mitmenschen. Und genau da bröckelt die Fassade. Anhand der deutschen Gesetzgebung bekommt der Leser einen Einblick in die Sachlage der Grundrechte eines Menschen und wie schwer es für den Staat…