Ein Plädoyer für einen humanen Tod
Biografien / 28. Dezember 2016

Terry Pratchett, seines Zeichens Erfinder der Scheibenwelt und der unzähligen daraus resultierende Romane, hat schon in seinem ersten Buch dem Tod eine wichtige Bedeutung beigemessen. Er ist nicht einfach nur der Sensenmann, sondern voller Gefühle und manchmal auch Zweifel. Und zugegeben: in den Scheibenwelt-Romanen ist der Tod, der gerne in GROSSBUCHSTABEN spricht, auch noch ausgesprochen unterhaltsam. Im März 2015 hat der Tod den Autor selbst geholt, nachdem er an einer heimtückischen, frühzeitigen, aggressiven Form von Alzheimer erkrankt war. Es ist anzunehmen, dass der Autor still und heimlich mit dem Gevatter einen Deal vereinbart hat, der in etwas so gelautet haben dürfte: „Du brauchst mich nicht zu holen, es genügt, wenn du die Tür einfach nur aufmachst und das Licht im Gang brennen lässt. Ich komme von alleine.“ Denn genau darum geht es in dem letzten Büchlein, das Terry Pratchett veröffentlicht hat. Es handelt sich dabei eigentlich um eine Rede, die er halten sollte und die er zum Anlass nahm, um über den Tod und der Chance auf Sterbehilfe sprach. Und tatsächlich haben seine Worte, die im Jahr 2010 von BBC aufgezeichnet wurden auch Wirkung gezeigt. In England entbrannte eine neue Diskussion darüber, ob und in welcher Form Sterbehilfe möglich sein…

Eine letzte Reise
Entbehrlich / 10. Mai 2016

In jungen Jahren hat Eugene Chaney, genannt Doc, seiner Freundin Nancy Travis etwas versprochen. Er würde ihr helfen das Leben zu beenden, sollte sie jemals die selbe Erkrankung wie ihre Mutter erleiden: Alzheimer. Zwar hatten sich die beiden damals auch ewige Liebe geschworen, doch daraus wurde nichts. Eugenes Leben nahm einen anderen, nicht minder tragischen Verlauf. Doch eines Tages kommt der Anruf von Nancy, der ihn an seinen Schwur erinnert. So macht sich der alte Mann auf den Weg, um seine Jugendliebe auf dem letzten Weg zu begleiten. Unterstützung hat er dabei von einem weiteren Freund aus Jugendtagen, seinem Patenkind und einem Jungen auf der Flucht. Das Buch mäandert zwischen Erinnerungen und Rückblenden, zwischen Lebensläufen und der aktuellen Handlung, was den Spannungsbogen nicht gerade hoch hält. Auch sind einige Passagen dabei, bei denen ich mich frage, warum ein Autor der Meinung ist, dass das wichtig oder lustig sei. Die Grundgeschichte „zwei alte Freunde helfen einander“ klingt spannend und man hätte vielleicht mehr daraus machen können. So aber plätschert die Geschichte dahin, man schließt den Buchdeckel und hat beinahe schon die Namen der Protagonisten vergessen. Letzter Bus nach Coffeeville von J. Paul Henderson, ISBN 978-3-257-06959-4

Liebe Alice, du hast den Brief an dich selbst geschrieben, als du noch bei klarem Verstand warst …
Zum Heulen / 22. Mai 2011

Alice Howland ist 50 Jahre jung und angesehene Professorin an der Havard Universität. In ihrem Fachgebiet – der kognitiven Psychologie – ist sie brilliant und vielgebuchte Vortragende. Bei einer ihre Vortragsreisen steht sie eines Tages am Rednerpult und ein mehr als triviales Wort will ihr nicht einfallen – „Lexikon“. Das kann jedem passieren, denkt man als Leser um sogleich atemlos mitzuverfolgen, wie sie kurz darauf bei ihrer täglichen Joggingrunde an der Kreuzung steht und nicht mehr weiß, ob sie links oder rechts die Straße rauf wohnt. Es folgen kleine Aussetzer, wie z.B. Vorlagen, die sie vergaß an einen Kollegen zu schicken (weil sie nicht mehr wußte, wer der Kollege war), sie stellt sich einer Dame vor, mit der sie gerade mal 5 Minuten zuvor ein kurzes Gespräch geführt hat, sie setzt sich in den volle Hörsaal in die Reihe der Schüler und wartet geduldig auf den Vortragenden, ohne zu ahnen, dass SIE die Vortragende ist usw. Bald wird ihr klar, dass mit ihr etwas nicht stimmt und nach einigen medizinischen Tests, liegt das erschreckende Ergebnis am Tisch: frühzeitiges Alzheimer, eine Erkrankung, die genetisch bedingt ist! Nicht nur, dass sie selbst also sukzessive den Verstand verliert, auch ihre drei Kinder sind…

Schrecklich ist vor allem, was wir nicht begreifen
Zum Nachdenken / 1. März 2011

August Geiger hat Alzheimer. Die heimtückische Krankheit wird von seinen Kindern, darunter auch dem Autor Arno Geiger, erst spät erkannt. Zuvor werden die seltsamen Anwandlungen einfach nur als Alterssturheit abgetan. Traurig und entsetzt über diese Fehleinschätzung beginnt Arno Geiger das Leben seines Vaters von nun an mit anderen Augen zu sehen, seine „Aussetzer“ als solche zu erkennen und mit ihnen zu leben. Er schildert den Alltag mit einem dementen Menschen, die Probleme mit der Verwirrtheit und der damit einhergehenden Verunsicherung, sowie die Ängste des Vaters, der mehr und mehr in eine andere Welt abdriftet. Und genau an dieser Stelle erkennt der Sohn, dass er dem Vater folgen muss, wenn er ihn nicht verlieren will. So entstehen Dialoge die Tragik und Komik in sich vereinen, die einen traurig machen und gleichzeitig lachen lassen, die einem den Spiegel vorhalten und die Frage: „Könntest du auch so reagieren oder würdest du einfach ausflippen?“ Arno Geigers Buch ist ein stilles Werk, und doch von einer imposanten Kraft durchflutet. Von der Macht des Lebens, das noch lange nicht zu Ende ist, nur weil der Geist nicht mehr ganz folgen kann. „Das einzige, was uns angesichts dieser Niederlage, die man Leben nennt, bleibt, ist der Versuch…