So viele Erklärungen für unser Verhalten hält kein Mensch aus
Zum Zeitvertreib / 11. September 2011

Manche Effekte sind uns vertraut, bei anderen wiederum kann man nur staunen. Oder wussten Sie, dass die Tatsache, dass das Wetter immer dann schlecht wird, wenn man Urlaub hat dem „Gore-Effekt“ zuzuschreiben ist? Die Ansammlung an „Ausreden“, warum etwas so und nicht anders ist, ist erstaunlich, mitunter lehrreich und manchmal erheiternd. Jedoch: das Buch ist keines, das man von vorne bis hinten durchliest, weil man soviele Erklärungen für unser Verhalten gar nicht aushält. Würde man dies einem Effekt zuschreiben, müsste dieser wohl „Belehrungs-Trotz-Effekt“ heißen, denn – erinnern wir uns: Je öfter wir von unseren Eltern zu hören bekamen, warum dieses oder jenes sich eben so oder anders verhält, desto trotziger wünschten wir uns, dass das Gegenteil der Fall wäre. Nun: ganz so schlimm ist es mit dem Buch natürlich nicht – als Nachttischlektüre leistet es gute Dienste, weil jeder der über 100 Effekte in wenigen Seiten erklärt ist. Und vielleicht kann man auf der einen oder anderen Party auch einmal mit diesem „Wissen“ auftrumpfen. Ich denke, also spinn ich von Jochen Mai und Daniel Rettig, ISBN: 978-3-423-24873-0

Der größte Komplott in der Geschichte der Weltreligionen
Zum Zeitvertreib / 19. Juni 2011

Maria und Josef sind auf dem Weg nach Bethlehem, um an einer Volkszählung teilzunehmen. Maria ist hochschwanger und trägt die Frucht eines „Engels“ in sich. Bei ihrer Niederkunft jedoch stellt sich heraus, dass es zwei Kinder sind, denen sie das Leben schenkt. Der Erstgeborene – Jesus – ist stark, der Zweitgeborene erscheint Maria kränklich und schwach, doch just als die Weisen aus dem Morgenland ihrem Stern folgend in Bethlehem eintreffend, finden sie den jüngeren in der Wiege vor und bringen ihm ihre Geschenke. Christus – der Gesalbte – wird der Zweitgeborene fortan genannt. Die beiden Brüder wachsen auf und obwohl es Christus ist, dem es mehrfach gelingt Wunder zu vollbringen so ist es doch sein Bruder, der die Massen zu begeistern versteht. Jesus ist wie geschaffen dafür und schon bald zieht er predigend durchs Land. Christus – im Schatten seines mächtigen Bruders stehend – beginnt dessen Worte aufzuzeichnen, um sie der Nachwelt zu erhalten. Als er Besuch von einem Unbekannten erhält, der ihn auch noch dazu ermutigt seine Aufzeichnungen nicht nur wortwörtlich zu führen, sondern da und dort „zum besseren Verständnis“ zu verbessern, ahnt er noch nicht, dass er damit den Grundstein für eine Institution legt, die 2000 Jahre später…

Es ist ungleich erfüllender mit seinem alten Leben ins Reine zu kommen, als ein ganz neues zu beginnen …
Zum Zeitvertreib / 15. Juni 2011

Virginia Ironside ist 65 und kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Zeit ihres Lebens war sie als Schriftstellerin und Journalistin tätig und mit 60 hat sie das wohl beste Buch ihres Lebens geschrieben: „Nein ich will keinen Seniorenteller“ – das fiktive Tagebuch der Marie Sharp, das uns Einblicke in das chaotische, aber unglaublich sympathische Leben einer Frau gab, die in Kürze ihren 60. Geburtstag feiern wird und beschließt die letzten Monate bis zum „Big Bang“ zu dokumentieren. Viel autobiografisches ließ sich damals hineininterpretieren. 5 Jahre später folgt der nächste Band „Nein ich geh nicht zum Seniorentreff“. Diesmal jedoch handelt es sich nicht um eine Geschichte einer erfundenen Person, sondern es ist die Autorin selbst, die zu uns spricht. Und – leider! – ist dies nicht ganz so lustig und unterhaltsam, wie der erste Band. Zwar kann man sich immer noch phasenweise köstlich amüsieren, jedoch erkennt man jetzt schon eine gewisse „Alterssteifheit“ – auch im Schreiben. Es handelt sich hierbei also eher um eine Art Ratgeber für 65+, ein Sammelsurium an Gedanken zu verschiedenen Themen, die in manchmal ziemlich kurzen Absätzen behandelt werden. Ein rechter Lesefluss kommt da nur begrenzt auf. Wer also das 1. Buch gelesen hat und – so…

Nettes Mitbringsel, aber nur mittelmäßig unterhaltsam
Zum Zeitvertreib / 14. Mai 2011

Dieses (Reiz-)Wörterbuch ist primär ein Sammelsurium zufällig aufgelesener Begriffe. Manche von diesen sind es tatsächlich wert, dass man sie hinterfragt, einfach weil sie schon so lange im Wortschatz verankert sind, und keiner mehr den Ursprung kennt. So kann man sich fragen, warum es heißt „Mir schwant etwas“ oder warum jemand „um keinen Deut besser“ ist. Auch „bezirzen“, „ausbaldowern“ oder „Techtelmechtel“ werden hinterfragt. Dann jedoch sind wieder so Wörter dabei wie „Werwolf, „Fronleichnam“ oder „Blockflöte“ und da muss man sich natürlich fragen: unter welchen Kritieren wurden hier eigentlich das Portfolio zusammengestellt? Auch sind manche Erklärungen einfach nur loses Dahergeplänkel des Autors – ein richtiges Aha-Erlebnis fehlt. Trotzdem sind ein paar recht nette Erklärungen dabei und aufgrund der Aufmachung (das Cover!) halte ich es auch für ein nettes Mitbringsel. Heringers Reizwörterbuch von Hans Jürgen Heringer, ISBN: 978-3-411710065

Was, wenn du der Todesengel bist?
Zum Zeitvertreib / 6. Mai 2011

Im Sommer 1944 wird die Stadt Newark im Nordosten Amerikas von einer Polioepidemie heimgesucht. Während ein großer Teil der Bevölkerung seine Kinder in Sommercamps am Land vor der Kinderlähmung zu schützen versucht, hat Bucky Cantor ein junger Sportlehrer, die Aufsicht über den Sportplatz und versucht dort, den Kindern einen geregelten und unbeschwerten Sommer zu ermöglichen. Doch der Ring der Krankheitsfälle zieht sich immer enger zusammen und bald schon gibt es die ersten schweren Erkrankungen in der Sportgruppe von Mr. Cantor. Zu diesem Zeitpunkt – im Jahr 1944 – herrscht also Krieg an zwei Fronten. Während die Soldaten in Europa und im Pazifik gerade die alles entscheidende Schlacht führen, kämpfen die Einwohner der Stadt gegen einen unsichtbaren Feind, von dem sie nicht einmal wissen, wie er zu besiegen ist. Die ersten Todesfälle folgen, Kinder mit 14 Jahren sterben innerhalb von 48 Stunden. Bucky’s Freundin Marcia kann ihn schließlich dazu überreden, zu ihr in ein Sommercamp zu kommen und dort die Aufsicht über eine Schwimmgruppe zu übernehmen. Doch kaum ist Mr. Cantor im Camp angelangt, treten dort die ersten Poliofälle auf … ist er womöglich der Bote des Todes? Philip Roth hat eine sehr spannende und tragische Geschichte geschrieben. Nicht nur, dass…

Hier sind sogar die Insekten katholisch …
Zum Zeitvertreib / 22. April 2011

… das empfindet zumindest Estelle, eine der fünf Dienstagsfrauen, die sich allesamt auf dem Weg nach Lourdes gemacht haben. Pilgern auf den Spuren des verstorbenen Arne, dem Ehemann von Judith – das ist ihr Urlaubsplan für dieses Jahr. Und weil sich keiner der fünf unter dem Begriff „hunderte Kilometer zu Fuß gehen“ etwas vorstellen konnte, machen sie sich völlig unvorbereitet und mit allerlei Unwichtigem ausgestattet auf den Weg. Eva, Mutter von 5 Kindern und irgendwann in ihrem früheren Leben mal Ärztin, Caroline, erfolgreiche Anwältin mit einer Überportion an Scharfsinn, Judith, trauernde Witwe, leicht esoterisch angehaucht und Besitzerin von Arnes Tagebuch, das als Reisevorlage dient, Estelle, reicher als reich und dementsprechend überfordert und Kiwi, Designerin und auf der Flucht vor der Liebe ihres Lebens. Bald schon stellt sich heraus, dass die Wegbeschreibungen in Arnes Tagebuch überhaupt nichts mit der Realität zu tun haben und es dauert auch nicht lange, bis klar wird, dass Arne ganze Textpassagen aus dem Internet abgeschrieben hat. Stellt sich nur noch die Frage, nach dem Warum? – die Antwort darauf verspricht die Gruppe der Dienstagsfrauen regelrecht zu sprengen … Monika Peetz‘ Roman ist ein durch und durch liebenswertes und lesenswertes Buch. Nicht nur, dass sie einen unglaublichen…

Von einem dunklen Stern, einer geheimen Sekte und einer seltsamen Liebe
Zum Zeitvertreib / 9. März 2011

Dominique Carpentier ist Richterin und bekannt als Sektenjägerin. Ein neuer Fall eines Massenselbstmords bringt sie einmal mehr auf die Spur „des Glaubens“ einer Sekte, von der sie bislang nur sehr wenig in Erfahrung bringen konnte. Trotz der Hilfe ihrer Assistenin und eines Kommissars, der mehr als nur berufliches Interesse an der Richterin zeigt, werden zwar einige Verzweigungen aufgedeckt, letztendlich läuft alles bei einer mysteriösen Person zusammen – dem Komponisten. Und hier beginnt dann sich das berufliche Interesse der Richterin an der Sekte mit dem persönlichen an dem faszinierenden und geheimnisvollen Komponisten zu kreuzen. Die Folgen sind selbst für Dominique Carpentier überraschend … Patricia Duncker hat keinen Krimi geschrieben und keinen Thriller. Es ist auch keine Liebesgeschichte und kein Mysteryroman. Es ist vielmehr eine sehr gekonnte Mischung verschiedener Genres, was sich reizvoll liest. Mal sind es die kriminellen Aspekte, die im Vordergrund stehen, meist aber sind es die eifersüchtigen Anfälle des Kommissars und die unheilverkündenden Liebeserklärungen des Komponisten. Das alles ist verpackt in einer Sprache an der frankophile Menschen ihre Freude haben werden. Das Buch wird jenen Menschen gefallen, die spannende, unterhaltsame Kriminalfälle mögen bei denen nicht unbedingt das Blut aus den Seiten tropfen muss. Es wird auch Menschen gefallen, die…

Wer Oberösterreich seine Heimat nennt, wird dieses Buch als Pflichtlektüre empfinden.
Zum Zeitvertreib / 11. Februar 2011

Sammelsurien sind Bücher, die geschichtliche, gesellschaftliche und zwischenmenschliche Kleinode ebenso erwähnenswert finden, wie historische Begebenheiten oder statistische Tatsachen. Und genau das ist es, was sie so liebenswert macht: sind sind Schatztruhen, die man immer wieder gerne öffnet um „Gold und Edelsteine“ andächtig herauszunehmen, kurz in Händen zu halten um sie dann wieder wegzuschließen. Das Buch wird jenen Menschen gefallen, die für die kleinen und großen Dinge, die Oberösterreich ausmachen, offen sind. Es ist für Menschen, die wissen wollen wer in Oö etwas geleistet hat … oder SICH etwas geleistet hat. Kraut & Ruam von Reinhold Gruber, ISBN:  978-3701200443

Shakespeare – auf den Punkt gebracht
Zum Zeitvertreib / 1. Februar 2011

Bill Bryson ist dafür bekannt, dass er Geschichte(n) so verpackt, dass man sie gerne liest – auch wenn das Thema trocken anmutet. Die „kurze Geschichte von fast allem“ ist der beste Beweis dafür. In „Shakespeare wie ich ihn sehe“ findet dieses Konzept eine erfolgreiche Fortsetzung. Sämtliche Fakten und Thesen, die es zu William Shakespeare gibt, alles Belegbare und alle abstrusen Theorien von wegen Shakespeare ist eigentlich Francis Bacon u.ä. wurden zusammengetragen und zu einer einzigen logischen Schlussfolgerung zusammengefasst: William Shakespeare hat tatsächlich gelebt und sein Genius ist unbestritten und belegt. Dazwischen gibt es noch jede Menge historische Hintergründe, die man als Appetithappen mitgeliefert bekommt. Das Buch ist für jene, die sich über Shakespeare informieren wollen, ein „Best of“ aus allen bislang veröffentlichten Bücher zu dem Thema. Sehr unterhaltsam und sehr lesenswert! Shakespeare – wie ich ihn sehe von Bill Bryson, ISBN: 978-3442310951

Gigantisch, wenn auch nicht ausreichend
Zum Zeitvertreib / 12. Januar 2011

In Ken Folletts neuem Monumentalwerk werden die Jahre vor, während und nach dem ersten Weltkrieg anhand mehrerer Familien unterschiedlicher Nationalität erzählt, deren Wege sich immer wieder kreuzen. Da gibt es die einfache Bergarbeiter Englands, die unter dem Joch des englischen Adels leiden, und das Leiden einer russichen Arbeiterfamilie, die zum einen von Amerika träumt und sich in der Revolution unter Lenin endlich Freiheit und eine bessere Welt erhofft. Und während Deutschland sich zunächst territoriale Gewinne in einem Krieg ausrechnet, der in ihren Augen leicht zu gewinnen ist, muss es schließlich eine bittere Niederlage hinnehmen, die zu einem Friedensvertrag führt, der nur in einem Münden kann – einem weiteren Krieg. Amerikas Rolle als Weltenpolizei kommt erstmals im ersten Weltkrieg und den darauffolgenden Friedensverhandlungen zum Zug, während sich die politische Landkarte Europas frappant verändert. Mit dem Sturz der Titanen meint der Autor wohl die Großmächte jener Zeit, die allesamt vom Adel geführt wurden. Russlangs Zar wird ebenso gestürzt, wie Deutschlands Kaiser und auch in anderen Ländern macht das Proletariat mobil. Gekonnt verbindet der Autor die Geschichte Europas zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit den Geschichten der Familien, die im Kleinen das selbe durchleben, wie es im Großen ein ganzer Kontinent tut. Es…