Ein Weg aus der Midlife Crisis
Für die Seele / 29. Dezember 2010

Man weiß ja nie genau, wann sie einen erfasst, die Midlife Crisis. Manche erwischt es früher, andere später. Aber eines ist klar: wenn man sich mit dem WARUM? nicht auseinander setzt, dauert sie länger! Ich habe das Buch genau zur rechten Zeit gefunden – die Frage nach dem WARUM BIN ICH HIER? wird beispielsweise mit einer sehr interessanten Gegenfrage konfrontiert: „WAS SOLL VON DIR BLEIBEN? Und damit ist man auch schon mitten drin in der Thematik. Es geht um das, was von uns übrig bleibt. Kinder, große Taten. Und damit dies alles nicht zum Ego-Trip ausartet – nach dem Motto: „Hauptsache, man erinnert sich an mich“, gilt es einige Spielregeln zu akzeptieren. Vieles davon sind Dinge, die wir im Grunde alle schon wissen, aber vielleicht in diesem Zusammenhang noch nicht gesehen haben. Einiges davon ist durchaus neu. Beispielsweise die Frage: Was ist Fürsorge? – Mit einem Satz erklärt: Fürsorge ist Mitgefühl, Güte und Zurückhaltung. Mit letzterem werden die meisten ihre Probleme haben, die sich „verewigen“ wollen. Alles in allem: „Weitergeben“ von Heiko Ernst ist das Buch, das mich aus meiner Midlife Crisis geführt hat. Es hat mir Perspektiven gegeben, eine gewisse Gelassenheit, ja sogar inneren Frieden, weil ich dank des…

Eine Geschichte so wild wie das Land
Zum Zeitvertreib / 29. Dezember 2010

Eine Frau flieht vor ihrem Schicksal und landet am Ende der Welt – in der Normandie. Hier weht der Wind rauer als es im Leben überhaupt möglich ist und das Meer nimmt sich, was ihm passt. Genau der richtige Ort um zu trauern und zu sich zurückzufinden. Eines Tages steht ein Fremder im Ort und erkundigt sich nach einer Geschichte, die 40 Jahre zurückliegt. Damals starb eine Familie in den tückischen Strömungen, angeblich, weil das Feuer im Leuchtturm nicht brannte. So nach und nach entpuppt sich der Fremde als Hinterbliebener jener Familie – seine Eltern und sein Bruder starben damals in den Fluten. Akribisch und unnachgiebig versucht er das Geschehene zu rekonstruieren – dem Meer das Geheimnis zu entreißen. Hat der Leuchtturmwärter mit Absicht das Leuchtfeuer gelöscht? Die Frau und der Fremde steuern gemeinsam auf tragische Erkenntnisse zu. Was mich an dem Buch so gefesselt hat war der Schreibstil, der sich ein bisschen anfühlte wie die Meeresbrandung. Man sieht sie kommen, aber erst wenn sie da ist, bekommt man die Gewalt zu spüren. Es ist eine wunderbare, tragische, fesselnde Geschichte, in der man auf jeder Seite eine Wildheit spürt, die darauf wartet entfesselt zu werden. Das Buch ist wie ein…

Fröhliche Niedergeschlagenheit
Zum Heulen / 29. Dezember 2010

Zu Beginn des Buches war ich skeptisch, weil ich eigentlich nichts über den 2.Weltkrieg lesen wollte. Und die Erzählweise ist mir im ersten Teil des Buches auch zu „distanziert“ – ja, der Tod blickt einem über die Schulter und beschreibt was er sieht. Doch dann verdichtet sich alles. Menschen, die man zu Beginn für herzlos hielt, zeigen menschliche Züge, und ehe man sich’s versieht lebt man mittendrin in einer Zeit, in der die Tatsache, dass es nichts zu essen gibt, alltäglich war. Unvorstellbar. Für viele Menschen muss es wohl so gewesen sein, dass der Krieg eine Randerscheinung war, bis plötzlich die Bomben fielen und die Männer eingezogen wurden. Witzigerweise ärgert es mich oft, wenn in Büchern am Ende alle sterben – da denk ich mir immer: meine Güte, muss denn der Autor so auftragen? In diesem Fall ist es logisch, mehr noch hat man das Gefühl, dass es genau so passiert ist. Und man muss dem Autor wohl dankbar sein, dass er das Grauen nicht detaillierter beschrieben hat. Obwohl: manchmal sind ja die Dinge, die nur so nebenbei erwähnt werden, viel schlimmer, weil die Fantasie verrückt spielt. Zuguterletzt habe ich doch sehr geschluckt und Menschen, die „nahe am Wasser gebaut“…

Spitzenthriller aus dem Gerichtssaal
Zum Nägel kauen / 26. Dezember 2010

Richter Rusty Sabich sitzt vor dem Bett seiner Frau – seiner toten Frau. Er sitzt dort über 20 Stunden ehe er seinen Sohn darüber informiert, dass seine Mutter tot ist … Nach diesem dramatischen Prolog beginnt die eigentliche Geschichte gut 17 Monate vorher und wird von den verschiedenen Protagonisten geschildert. Einmal aus Sicht von Rusty Sabich, einmal aus Sicht einer jungen Frau names Anna, einmal aus Sicht des Sohnes, dann des Staatsanwalts. Auf diese Weiser verknüpfen sich die Ereignisse und steuern auf das Ende zu, dass dann ganz anders ist als erwartet. Unterstützt wird dieser Schreibstil durch eine Zeitleiste am Kopf jedes Kapitels, die ersichtlich macht, zu welchem Zeitpunkt dieses oder jenes Ereignis stattfand, das letztendlich zu einem Jahrhunderprozess führen wird, und genau das ist es, was dieses Buch so spannend macht: Es ist als würde man zwei Gewitterzellen sehen, die sich nähern, um sich an einem bestimmten Punkt zum Jahrhundert-Unwetter zu vereinen. Ich habe die Vorgeschichte „Aus Mangel an Beweisen“ nicht gelesen, was nicht unbedingt ein Nachteil ist, weil man trotzdem erfährt, warum Richter Rusty Sabich und Staatsanwalt Tommy Molto eine gewisse Hass-Liebe verbindet. Allerdings zieht sich eben diese Vorgeschichte wie ein roter Faden durch das Buch und man…

Gute Gefühle können zur Gewohnheit werden …
Für die Seele / 26. Dezember 2010

… das ist nur eine von vielen „Lebensweisheiten“, die der Autor für uns parat hat. Das Schöne daran ist, dass man diese Sätze einfach annehmen kann, weil sie eben nicht wie eine Weisheit daherkommen, sondern ganz beiläufig geschrieben stehen. Eckart von Hirschhausen hat mit seinem Ratgeber einen Spagat geschafft. Er hat ein Buch zu einem Thema geschrieben an dem sich andere schon die Zähne ausgebissen haben, eben WEIL er es locker angegangen ist. So ist die Grafik des Buches schon eine Besonderheit für sich. Der Autor selbst fordert uns dazu auf, das Buch zu benutzen – also die darin enthaltenen Bastelbögen rauszuschneiden und zu verwenden. Darüber hinaus portioniert er das Thema Glück in Bereiche, in denen sich jeder da oder dort wiederfindet. Vom Glück, das man mit anderen teilt, über das Glück, das per Zufall kommt bis zum Glück, das durch Nichts-Tun entsteht: der Blickwinkel auf ein und das selbe Thema ist immer ein anderer und die Perspektiven sind oftmals überraschend. Ein Satz hat es mir ganz besonders angetan: „Auf die Dauer nimmt die Seele die Farbe der Gedanken an.“ – Na bumm: wer da noch finster denken kann ohne ein schlechtes Gewissen zu haben … Da kam mir der…

Mein Leben geschieht, ob ich mir nun Sorgen mache oder nicht …
Zum Heulen / 26. Dezember 2010

Es ist eine ganz besondere Reise auf die wir uns mit Henry N. Brown begeben: Zum einen eine Reise durch die Zeit – beginnend mit der Geburtsstunde des kleinen Bären mit „annähernd brauner Farbe“ im Jahr 1921. Zum anderen eine Reise durch viele Länder Europas beginnend mit dem viktorianischen England über das kriegerische Deutschland bis hin zu Ungarn kurz vor dem Fall des eisernen Vorhangs. Aus den Augen eines Bären betrachtet erleben wir dabei nicht nur eine ganz besondere Studie der menschlichen Seele – wer sonst kommt so nah an die Gefühle eines Menschen ran, als ein Teddybär – wir erleben auch Schicksale, die berühren, An- und Einsichten, die uns nachdenklich machen können und nicht zuletzt: wir erleben, was die Liebe ist – für Menschen und für Teddybären! Das Buch werden jene mögen, die „Lachen und Weinen“ in einer Geschichte vereint wissen wollen. Es ist manchmal brutal, weil das Leben nicht in Watte gepackt ist. Es ist manchmal herzlos, weil das Leben auch Enttäuschungen bereithält. Es steckt voller Überraschungen, weil das Leben eben keine geradlinige Autobahn ist. Es steckt voll Liebe, weil die Geschichte des Bären einen ganz besonderen Schatz in sich birgt … Das Buch ist ein absolutes Highlight!…

Die Ewigkeit ist eine immerwährende Wohltat …
Zum Lachen / 23. Dezember 2010

… diese Erkenntnis hat Molly Marx, die kürzlich verstorben ist, erst am Ende des Buches. Bis es jedoch so weit ist, muss sie herumgeisternder Weise herausfinden, was genau sie in diese „Lage“ gebracht hat. Und so begleiten wir als Leser ihre Reisen zu den Hinterbliebenen, erfahren nach und nach mehr von Molly Marx, als sie noch unter den Lebenden weilte, lachen mit ihr, trauern mit ihr, ärgern uns mit ihr und freuen uns mit ihr – kurzum: Wir er“leben“ eine Geschichte, der es an nichts mangelt. Dieses Buch werden jene mögen, die David Safiers „Mieses Karma“ geliebt haben. Es ist warmherzig, kurzweilig, gut geschrieben und wenn man das Buch fertig gelesen hat, ruft es jenes Gefühl hervor, das nur wirklich gute Bücher erzeugen können: „Schade, dass es schon zu Ende ist“ Ich, Molly Marx, kürzlich verstorben von Sally Koslow, ISBN: 978-3423247252

Lässt die Herzen bibliophiler Menschen höher schlagen
Für Bücherliebhaber / 23. Dezember 2010

Das Buch ist ein echtes Sammlerexemplar. Nicht nur, dass es in einer limitierten Auflage von 7.777 Stück erschienen ist, auch die Verarbeitung ist vom Allerfeinsten. Weicher Ledereinband, zwei verschiedenfärbige Kapitelbänder, dünnes Bibelpapier, Goldprägung, hochwertiger Schuber, die obligate Karte, die am Ende des Buches eingesteckt ist – all das zeugt von höchster Qualität, wie sie eben nur von echten Bücherliebhabern erkannt und geschätzt wird. Wer das Buch nur lesen will, soll sich die grüne Taschenbuchausgabe kaufen. Wer das Buch aber BESITZEN will, es sein eigen nennen will – seinen Schatz! – ja, der sollte sich schleunigst ein Exemplar sichern, bevor die limitierte Auflage weg ist. Herr der Ringe, Sammlerausgabe von J.R.R. Tolkien, ISBN: 978-3608938302

Die Wahrheit ist das, was die Mehrheit dafür hält …
Zum Zeitvertreib / 23. Dezember 2010

Don Salvador ist ein betagter Herr, der auf einem Flughafen Putzdienst macht. Hauptsächlich unterhält er jedoch die Fluggäste mit seinen Geschichten, die – so scheint es – allesamt wahr sind. Nicht wenige davon haben sogar an diesem Flughafen ihren Anfang oder ihr Ende genommen. Und so begleitet der Leser den sympathischen Geschichtenerzähler von Kapitel zu Kapitel in denen Liebesgeschichten, Reisegeschichten, Gar Abenteuerliches und manchmal Verwirrendes erzählt wird. Bis sich schließlich am Ende die wahre Identität von Don Salvador entpuppt … Das Buch ist ein Kleinod unter den Romanen, das sich schleichend das Herz des Lesers erobert, bis man am Ende traurig darüber ist, dass man nicht noch mehr Geschichten erfährt. Für mich reiht sich der Roman in die Liga einer „Bücherdiebin“ oder eines „Firmin“ ein, allesamt Bücher mit einem Hauch Melancholie und Wehmut. Das Buch eignet sich mit Sicherheit ganz wunderbar als Lektüre, wenn man auf einem Flughafen sitzt und darauf wartet, dass die Reise endlich los geht … sehr empfehlenswert! Salvador und der Club der unerhörten Wünsche von Alberto Torres Blandina, ISBN: 978-3-42104448-8

An der Sprache können wir unsere Zeit studieren …
Für den Job / 20. Dezember 2010

Dieses Buch ist keine Lesebuch sondern ein Schleifstein. Stück für Stück wird die Oberfläche unserer Muttersprache von grammatikalischen Fehlern und irregeleiteten Wörtern gesäubert, bis der Blick frei ist auf die vollkommene Schönheit dessen, was man Ausdrucksweise nennt. Der Autor schafft es im Leser eine subtile Schwingung zu erzeugen, die uns empfänglicher macht für das was gutes Deutsch ausmacht – oder eben verhindert. Und während wir uns im Alltag damit begnügen kurze Mitteilungen via SMS zu versenden, während E-Mail Verkehr dem in einer Großstadt immer ähnlicher wird, erhebt Wolf Schneider mit einem Zwinkern den mahnenden Zeigefinger und gebietet uns doch ab und an innezuhalten und den Sinn des soeben Gelesenen zu hinterfragen. Dieses Buch wird jenen gefallen, die Sprache mögen, für die Worte nicht einfach nur Hülsen sind, sondern Häuser in denen Leben herrscht. Bücher wie diese sollten im Deutschunterricht Pflichtlektüre sein. Es ist erfrischend und überaus lesenswert. Gewönne doch der Konjunktiv von Wolf Schneider, ISBN: 978-3-49962463-6