Meine Vermutung ist ja, dass Gott googelt ..
Zum Nachdenken / 22. März 2011

… denn nirgendwo ist es leichter alle Sünden dieser Welt zu finden, als im Internet. – so sieht das zumindest Thomas Montasser in seinem Buch, dessen Titel wirklich brilliant ist! Der Inhalt hingegen ist ein einziges Plädoyer gegen das „Böse“, das sich als digitalisierte Welt in Form von E-Mail, SMS, Computer, MP3-Player, Handy, usw. manifestiert. Zwar zeigt der Autor nicht mit dem Finger auf andere, sondern nimmt sich selbst durchaus auch kritisch unter die Lupe, dennoch sind die Ansichten in dem Buch so vermutlich nicht haltbar. Sicher – in vielen Punkten hat der Autor recht: wenn er z.B. sagt, dass die Kinder heute lieber „Leben spielen“ anstatt zu leben. Er hat auch recht, wenn er sagt, dass er „vor lautet Passwörter schon nicht mehr weiß, wie er heißt“ (das Phänomen dürfte allgemein auftreten). Trotzdem ist seine „Beweisführung“ einseitig und manchmal eintönig, weil sich die Argumente ständig wiederholen. Vor allem aber auch, weil man dem ganzen ohnehin nur begrenzt entgehen kann (und vermutlich auch will). Vieles von dem, was in den letzten 10 Jahren erfunden wurde ist eine Errungenschaft. Und wie alle Errungenschaften können diese auch zum Fluch werden, wenn der Mensch sich selbst nicht unter Kontrolle hat. Das gilt für…

Man stirbt nicht bei dem Anblick eines XXL-Oberschenkels
Für die Seele / 14. März 2011

„Eigentlich wollte ich ein Buch über dicke Frauen schreiben“ – lautet der erste Satz in diesem Buch. Doch dann wurde es ein Buch gegen den Schlankheitswahn. Was auf den ersten Blick auf das gleiche hinausläuft, unterscheidet sich im Detail sehr wesentlich. Das Buch ist jetzt auch für jene (gar nicht mal so kleine) Gruppe von Menschen, die sich schon bei Kleidergröße 42 als „dick“ bezeichnen würden. Und bereits nach der 10seitigen Einleitung wird klar: Frau Asgodom wird nicht mit harten Worten geizen! Der erste Teil des Buches ist ein Befreiungsschlag, manchmal sogar ein Rundumschlag: In den 5 „T“ beleuchtet die Autorin zunächst warum wir dick werden – Talent (zum Essen),Trotz (jetzt erst recht), Trance (Gewohnheiten), Turbulenzen (Stress), Traurigkeit. Im Anschluss folgen die „Versöhnungskapitel“, die alle mit „L“ beginnen: Liebe (zu sich selbst), Lust(auf das was wichtig ist), Leichtigkeit (Begeisterung entwickeln),Laben (Essen bewusst machen),Lachen(wie wir auf andere wirken). Was in den „T“-Kapitel manchmal schon übertrieben schien – als Leser hat man fast das Bedürfnis zu sagen „Ja, danke ich hab’s kapiert“, steigert sich in den „L“-Kapiteln dann zu einem Live-Auftritt der Autorin, die ja berühmt ist, für ihre Bühnenpräsent und Stärke in Vorträgen. Das heißt: jetzt spricht sie so, als stünde…

Von einem dunklen Stern, einer geheimen Sekte und einer seltsamen Liebe
Zum Zeitvertreib / 9. März 2011

Dominique Carpentier ist Richterin und bekannt als Sektenjägerin. Ein neuer Fall eines Massenselbstmords bringt sie einmal mehr auf die Spur „des Glaubens“ einer Sekte, von der sie bislang nur sehr wenig in Erfahrung bringen konnte. Trotz der Hilfe ihrer Assistenin und eines Kommissars, der mehr als nur berufliches Interesse an der Richterin zeigt, werden zwar einige Verzweigungen aufgedeckt, letztendlich läuft alles bei einer mysteriösen Person zusammen – dem Komponisten. Und hier beginnt dann sich das berufliche Interesse der Richterin an der Sekte mit dem persönlichen an dem faszinierenden und geheimnisvollen Komponisten zu kreuzen. Die Folgen sind selbst für Dominique Carpentier überraschend … Patricia Duncker hat keinen Krimi geschrieben und keinen Thriller. Es ist auch keine Liebesgeschichte und kein Mysteryroman. Es ist vielmehr eine sehr gekonnte Mischung verschiedener Genres, was sich reizvoll liest. Mal sind es die kriminellen Aspekte, die im Vordergrund stehen, meist aber sind es die eifersüchtigen Anfälle des Kommissars und die unheilverkündenden Liebeserklärungen des Komponisten. Das alles ist verpackt in einer Sprache an der frankophile Menschen ihre Freude haben werden. Das Buch wird jenen Menschen gefallen, die spannende, unterhaltsame Kriminalfälle mögen bei denen nicht unbedingt das Blut aus den Seiten tropfen muss. Es wird auch Menschen gefallen, die…

Was haben die Menschen früher mit ihren erlebten Sachen gemacht, bevor es Twittern und Blogs gab?
Zum Lachen / 9. März 2011

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen im Zug und Ihnen gegenüber sitzt ein unscheinbarer Mann, der fleißig in seinen Computer tippt. Dann heißt es wohl Vorsicht, denn das könnte Horst Evers sein, der Mann mit dem scharfen Blick für das Banale. Mit geradzu hinreißender Logik erklärt er uns wie die Welt wirklich funktioniert – dass z.b. Twittern auch offline geht – durch lautes Hinausschreien aus dem Fenster, dass man Platz schaffen kann, indem man seinen Müll einfach mit der Post an eine Adresse schickt, die es nicht gibt (dauert Wochen bis der Schrott zurückkommt und ist billiger als einen Lagerraum zu mieten), dass man 20 Kilo abnehmen kann, indem man einfach ein anderes Rechenschema für das Gewicht verwendet, dass man mit den Psychotests aus den Zeitungen einfach alles werden kann usw. Das Buch ist eine superlustige Sammlung an Alltagsgeschichten, gespickt mit einer gehörigen Portion Lebensweisheit. Für Eile fehlt mir die Zeit von Horst Evers, ISBN: 978-3871346828

Ein Hörerlebnis der besonderen Art
Hörbücher / 6. März 2011

Das selbige Buch mag für viele enttäuschend sein. Sei es, weil die Sprache etwas altmodisch ankommt (was einzig an der sehr guten Übersetzung liegt, und die Franzosen nun mal eine etwas schrullige Ausdrucksweise haben) oder weil die Geschichte so dahinplätschert, ABER: wenn man sich anstelle des Buches das Hörbuch nimmt, dann kommt das einen Erlebnis erster Güte gleich. Die Stimme der Concierge (gesprochen von Anna Thalbach) ist derart authentisch – man kann sich die Person richtig ausmalen. Hinzu kommt, dass der Text, wenn er richtig vorgelesen wird – mit all den Pausen – eine ungeheure Tiefe hat. Ich fuhr mit dem Auto nach Hause, stand im Dunkeln auf der Straße und lauschte der Erzählerin – es war einer der schönsten Hörerlebnisse, die ich je hatte! Also: das Buch sein lassen und statt dessen das Hörbuch nehmen! Muriel Barbery-die Eleganz des Igels Die Eleganz des Igels

Ein Kinoerlebnis im Ohr
Hörbücher / 6. März 2011

Frank Schätzings „Schwarm“ wurde ein Weltbestseller und das mit Recht. Mittlerweile gibt es auch eine Lesung als Hörbuch, aber das HÖRSPIEL ist eine Besonderheit für sich. Alleine der Anfang des Hörspiels erzeugt Gänsehaut (Mechthild Großmanns Stimme ist atemberaubend). Bekannte Stimmen wie z.B. die von Joachim Kertzel (= Jack Nicholsons Synchronstimme) schaffen es, dass man einen Hollywood Blockbuster im Ohr erlebt. Frank Schätzing – der Schwarm Der Schwarm

Die Familie hat ihren guten Ruf eingebüßt.
Zum Nachdenken / 1. März 2011

„Es ist noch nicht lange her, da nannte man die heute Vierzig- bis Fünfzigjährigen, die Sandwich-Generation, eingeklemmt zwischen den Verpflichtungen gegenüber ihren Eltern und ihren Kindern, wirtschaftlich und seelisch erschöpft. Doch dieser Begriff ist falsch und nur ein weiteres Beispiel für die Egomanie einer Generation.“ … Die ist der 1. Satz des Buches und ich dachte zunächst, dass es ein spannender Auftakt sei. Jedoch: ich wurde enttäuscht, denn mehr und mehr hat mich das Buch zu ärgern begonnen. Nicht nur, dass sich immer alles um Wirtschaftlichkeit dreht und wie man ein „System“ erhalten kann, es bescheinigt uns (und vor allem unseren Kindern und Enkeln) auch eine mehr oder weniger hoffnungslose Zukunft. Stets ist nur von der „Last auf den Schultern“, der „Doppelbelastung Eltern, eigene Kinder“ usw die Rede. Als ob es im Leben nur darum ginge, dass alles wirtschaftlich abläuft! Als Mitglied jener egomanen Generation, von der eingangs gesprochen wird, hab ich mir oft gedacht, dass wohl JEDE Generation ihre Chancen und ihre Probleme hatte und es erscheint mir mehr als kurzsichtig, der zukünftigen Generation gleich gar keine Chance mehr einzuräumen. Die Nachkriegsgeneration war bitterarm, aber hatte die große Chance ein Land neu aufzubauen. Die heutigen Generationen kommen in eine…

Schrecklich ist vor allem, was wir nicht begreifen
Zum Nachdenken / 1. März 2011

August Geiger hat Alzheimer. Die heimtückische Krankheit wird von seinen Kindern, darunter auch dem Autor Arno Geiger, erst spät erkannt. Zuvor werden die seltsamen Anwandlungen einfach nur als Alterssturheit abgetan. Traurig und entsetzt über diese Fehleinschätzung beginnt Arno Geiger das Leben seines Vaters von nun an mit anderen Augen zu sehen, seine „Aussetzer“ als solche zu erkennen und mit ihnen zu leben. Er schildert den Alltag mit einem dementen Menschen, die Probleme mit der Verwirrtheit und der damit einhergehenden Verunsicherung, sowie die Ängste des Vaters, der mehr und mehr in eine andere Welt abdriftet. Und genau an dieser Stelle erkennt der Sohn, dass er dem Vater folgen muss, wenn er ihn nicht verlieren will. So entstehen Dialoge die Tragik und Komik in sich vereinen, die einen traurig machen und gleichzeitig lachen lassen, die einem den Spiegel vorhalten und die Frage: „Könntest du auch so reagieren oder würdest du einfach ausflippen?“ Arno Geigers Buch ist ein stilles Werk, und doch von einer imposanten Kraft durchflutet. Von der Macht des Lebens, das noch lange nicht zu Ende ist, nur weil der Geist nicht mehr ganz folgen kann. „Das einzige, was uns angesichts dieser Niederlage, die man Leben nennt, bleibt, ist der Versuch…