Schräg, schräger – Tim Binding
Zum Lachen / 28. Juli 2011

Seit knapp fünf Jahren sitzt Al Greenwood nun schon im Knast für den Mord, den eigentlich seine Frau begangen hat. Sicher: es ist noch immer nicht geklärt, wer eigentlich über die Klippen gestürzt ist, wohl aber, was mit seiner unehelichen Tochter Miranda passiert ist. Eines Tages überrascht ihn Audrey, seine Frau, mit dem Geständnis, dass sie sich stellen werde – Al würde frei kommen und rehabilitiert sein! Doch kaum ist er aus dem Gefängnis draußen ziehen neue Gewitterwolken in seinem Leben auf. Da wäre zunächst Michaela Rump, jene Frau, von der er bislang glaubte, dass sie die Unbekannte sei, die er über die Klippen gestoßen habe. Dann noch die düsteren Erinnerungen an den Verlobten seiner Tochter Carol, der bei einem gemeinsamen Familienurlaub tödlich verunglückte und schließlich die Lösung jenes Rätsel, das von Anfang an im Raum stand: wen hat Al den nun tatsächlich über die Klippen geschubst? Tim Bindings neuer Roman ist eine sehr gelungene Fortsetzung im selben taktlosen Schreibstil, mit einer gehörigen Portion britischen Humors, den man liebt oder verachtet. Es empfiehlt sich in jedem Fall, die Lesereihenfolge einzuhalten: Zuerst Band 1 „Cliffhanger“, dann dieser Folgeband hier. Nur so gelingt es einem wirklich, den Aberwitz und die Skurillität in…

Köstlicher englischer Humor, der verfilmt werden sollte
Zum Lachen / 27. Juli 2011

Al Greenwood hat sein Leben satt. Hier in diesem Fischerdorf an den Klippen Englands, in spießigen Bungalows, inmitten von langweiligen Nachbarn, von denen ihm einer auch noch das Taxieschäft ruiniert. Ab vor allem hat er das Leben mit Audrey, seiner Frau, satt. So beschließt er eines Tages, sich von ihr auf recht unkonventionelle Weise zu trennen, in dem er sie einfach über die Klippen schubst. Ein kleiner Streit ist schnell entfacht, Audrey stürmt aus dem Haus, den Hang entlang zu ihrem Lieblingsplatz an der Klippe, nichts ahnend, dass ihr Ehemann hinter ihr herschleicht, um seinen perfiden Plan in die Tat umzusetzen. Als Al zufrieden mit sich selbst nach der Tat zurück ins Haus kommt, verschlägt es ihm allerdings die Sprache: vor dem Kamin sitzt Audrey mit einem Glas Whisky in der Hand … und damit beginnt der Irrwitz, der das Leben von Al so nach und nach den Guli runterspült, denn natürlich drängt sich die Frage auf: wenn Audrey hier ist, wer zum Teufel liegt dann unten bei den Klippen? Leider muss sich Al fortan auch noch mit seiner alten Nachbarin rumschlagen, jene Frau weit über 90, die sich liebend gern einen Joint dreht, heiße Musik hört, in alten Erinnerungen…

Ab und zu sollte man Inventur machen in seinem Leben …
Für die Seele / 26. Juli 2011

Es gibt nicht viele Bücher, die ich zwei Mal gelesen habe – dies hier ist eines. Schon der Titel „Seelenruhe“ bekommt im Kopf ein lautes Echo: genau das ist es doch, was „man“ sucht! Und Eva-Maria Altemöllers zusammengetragene Geschichten und Weisheiten ihrer Großeltern, sind jede Seite wert, die sie füllen. Manchmal wirken die Lebensweisheit ein wenig altmodisch zwar, das ist aber auch nicht weiter verwunderlich, wenn man bedenkt, wer sie von sich gibt. Und gerade diese manchmal leichte Angestaubtheit der Meinungen und Gedanken wecken im Leser eine latente Sehnsucht – nach Langsamkeit, nach Stille, nach Einfachheit, nach Werten. Es ist, als würde man in sich einen Ton zum schwingen bringen, der sich unwiderruflich bis ins Bewußtsein vorarbeitet. Der Klang einer inneren Ordnung, den wir in unserer mitunter mehr als lauten Welt schon gar nicht mehr vernehmen können. Und auch wenn der Brief der über 90jährigen Großmutter an die Autorin das eine oder andere an „Weisheit“ beinhaltet, die wir in unserer emanzipierten Welt nicht mehr so sehen, so spürt man doch die unendliche Güte in den Worten. Ein paar schöne Sätze: – „Ab vierzig ist jeder für sein Gesicht selbst verantwortlich. Schönheit hat spätestens dann nämlich etwas mit Charakter zu tun.“…

Was, wenn Hitler nie gelebt hätte …
Zum Nägel kauen / 25. Juli 2011

Michael Young ist Geschichte-Student im Cambridge und gerade mit seiner Doktorarbeit über Adolf Hitlers Aufstieg fertig geworden. Durch einen Zufall begegnet er Leo Zuckermann, Professor für Physik. Dieser ist von Michaels Arbeit sehr angetan und lädt ihn in sein Labor ein, um ihm einen unglaublichen Vorschlag zu unterbreiten: was, wenn man die Geburt Hitlers verhindern könnte und aus diese Weise, die Geschichte einen völlig anderen Lauf nehmen würde? Die beiden hecken einen waghalsigen Plan aus … als Michael wieder zu sich kommt ist die Welt eine andere. Er ist in Princeton, USA studiert Philosophie muss jedoch bald schon feststellen, dass die Welt ohne Hitler auch nicht besser geworden ist. Was Stephen Fry uns in dem vorliegenden Roman liefert ist eine abwitzige Achterbahnfahrt zwischen echter und möglicher Zeitgeschichte, zwischen dem Bösewicht Adolf Hitler und einer Person, die statt seiner die Welt aus den Fugen hebt. Einzige Schwachstelle in dem Roman ist jener anstrengend zu lesende Teil, der in Form eines Drehbuchs geschrieben ist. Vermutlich wollte der Autor damit klar machen, dass man sich nicht selten fühlt, als wäre man in einem Film … oder aber, dass an diesen Stellen gerade „Geschichte“ geschrieben wird. Wie dem auch sei – wäre dieser Part…

Guter Urlaubskrimi mit geschichtlichem Hintergrund
Zum Nägel kauen / 23. Juli 2011

Als der Kriminalist Gero Herbst zu einem Mordfall gerufen wird, ahnt er noch nicht, dass dieser möglicherweise mit den letzten Weltkriegstagen an der Elbe zusammenhängen würde … und mit seinem Vater. Der Tote entpuppt sich zunächst als ein Mann, der nach dem Grund der Leukämieerkrankung seiner Tochter sucht und diesen im sogenannten Leukämiecluster an der Elbe findet – jenem Bereich, wo es auffällig viele Leukämiekranke gibt. Liegt die Schuld am  nahegelegenen Kernkraftwerk, oder am ursprünglichen Sitz der Dynamitfabrik von Alfred Nobel, die an dieser Stelle die den Krieg der Deutschen gegen den Rest der Welt mit Munition versorgte? Oder liegt es daran, dass damals im Jahr 1945 nicht nur  Geschützmunition hier entwickelt wurde, sondern vielleicht sogar die ultimative V-Waffe? Hatten die Deutschen womöglich die Atomwaffe bereits in ihren Händen? Gero Herbst untersucht akribisch die Spuren, die von dem Toten weg in die Vergangenheit führen, nur um bald schon festzustellen, dass sein Vater zur selben Zeit in der selben Munitionsfabrik gearbeitet hat … Boris Meyns Krimi ist recht unterhaltsam und durchwegs spannend. Geschichte und Fiktion treffen gekonnt aufeinander und lassen einigen Spielraum für die eigene Fantasie. Das Buch hinterlässt jetzt zwar keinen bleibenen Eindruck, kann aber als Strandlektüre sicher gute Dienste…

Der größte Komplott in der Geschichte der Weltreligionen
Zum Zeitvertreib / 19. Juni 2011

Maria und Josef sind auf dem Weg nach Bethlehem, um an einer Volkszählung teilzunehmen. Maria ist hochschwanger und trägt die Frucht eines „Engels“ in sich. Bei ihrer Niederkunft jedoch stellt sich heraus, dass es zwei Kinder sind, denen sie das Leben schenkt. Der Erstgeborene – Jesus – ist stark, der Zweitgeborene erscheint Maria kränklich und schwach, doch just als die Weisen aus dem Morgenland ihrem Stern folgend in Bethlehem eintreffend, finden sie den jüngeren in der Wiege vor und bringen ihm ihre Geschenke. Christus – der Gesalbte – wird der Zweitgeborene fortan genannt. Die beiden Brüder wachsen auf und obwohl es Christus ist, dem es mehrfach gelingt Wunder zu vollbringen so ist es doch sein Bruder, der die Massen zu begeistern versteht. Jesus ist wie geschaffen dafür und schon bald zieht er predigend durchs Land. Christus – im Schatten seines mächtigen Bruders stehend – beginnt dessen Worte aufzuzeichnen, um sie der Nachwelt zu erhalten. Als er Besuch von einem Unbekannten erhält, der ihn auch noch dazu ermutigt seine Aufzeichnungen nicht nur wortwörtlich zu führen, sondern da und dort „zum besseren Verständnis“ zu verbessern, ahnt er noch nicht, dass er damit den Grundstein für eine Institution legt, die 2000 Jahre später…

Es ist ungleich erfüllender mit seinem alten Leben ins Reine zu kommen, als ein ganz neues zu beginnen …
Zum Zeitvertreib / 15. Juni 2011

Virginia Ironside ist 65 und kann auf ein bewegtes Leben zurückblicken. Zeit ihres Lebens war sie als Schriftstellerin und Journalistin tätig und mit 60 hat sie das wohl beste Buch ihres Lebens geschrieben: „Nein ich will keinen Seniorenteller“ – das fiktive Tagebuch der Marie Sharp, das uns Einblicke in das chaotische, aber unglaublich sympathische Leben einer Frau gab, die in Kürze ihren 60. Geburtstag feiern wird und beschließt die letzten Monate bis zum „Big Bang“ zu dokumentieren. Viel autobiografisches ließ sich damals hineininterpretieren. 5 Jahre später folgt der nächste Band „Nein ich geh nicht zum Seniorentreff“. Diesmal jedoch handelt es sich nicht um eine Geschichte einer erfundenen Person, sondern es ist die Autorin selbst, die zu uns spricht. Und – leider! – ist dies nicht ganz so lustig und unterhaltsam, wie der erste Band. Zwar kann man sich immer noch phasenweise köstlich amüsieren, jedoch erkennt man jetzt schon eine gewisse „Alterssteifheit“ – auch im Schreiben. Es handelt sich hierbei also eher um eine Art Ratgeber für 65+, ein Sammelsurium an Gedanken zu verschiedenen Themen, die in manchmal ziemlich kurzen Absätzen behandelt werden. Ein rechter Lesefluss kommt da nur begrenzt auf. Wer also das 1. Buch gelesen hat und – so…

Dumas‘ Rächer ist im 21. Jahrhundert angekommen
Zum Nägel kauen / 29. Mai 2011

Als Ned Maddstone während einer Vorlesung heimlich das Tagebuch seines Studienkollegen Ashley Barson-Garland liest, ahnt er nicht, welche Folgen das für ihn haben würde. Und als er auf dem Segeltörn nach Schottland den Brief des sterbenden Kapitäns annimmt – mitsamt dem Auftrag ihn heimlich an eine bestimmte Adresse zu bringen – kann er nicht wissen, dass dieses Geheimnis sein Leben von Grund auf ändern würde. Genauso wenig wie es für ihn zu diesem Zeitpunkt vorstellbar ist, dass die Eifersucht auf seine Freundin einen jungen Mann dazu bringen würde an einem dummen Streich mitzuspielen … Es sind die verzwickten Ereignisse des Schicksals, die dazu führen, dass Ned Maddstone eines Tages verhaftet wird. In seiner Lederjacke findet man Drogen und einen Brief. Der ermittelnde Beamte Oliver Delft erkennt bald, dass die Drogengeschichte ein Jungenstreich war, doch der Brief beunruhigt ihn zutiefst, handelt es sich dabei doch um eine Todesliste – ausgestellt von der IRA. Als er den Empfänger des Briefes von dem verunsicherten Ned Maddstone erfährt, muss er unverzüglich handeln, und beschließt den blonden Schönling für immer von der Erdoberfläche verschwinden zu lassen. Jahrzehnte später – wir befinden uns am Beginn des Milleniums – taucht in allen Medien eine geheimnisvolle Person auf,…

Liebe Alice, du hast den Brief an dich selbst geschrieben, als du noch bei klarem Verstand warst …
Zum Heulen / 22. Mai 2011

Alice Howland ist 50 Jahre jung und angesehene Professorin an der Havard Universität. In ihrem Fachgebiet – der kognitiven Psychologie – ist sie brilliant und vielgebuchte Vortragende. Bei einer ihre Vortragsreisen steht sie eines Tages am Rednerpult und ein mehr als triviales Wort will ihr nicht einfallen – „Lexikon“. Das kann jedem passieren, denkt man als Leser um sogleich atemlos mitzuverfolgen, wie sie kurz darauf bei ihrer täglichen Joggingrunde an der Kreuzung steht und nicht mehr weiß, ob sie links oder rechts die Straße rauf wohnt. Es folgen kleine Aussetzer, wie z.B. Vorlagen, die sie vergaß an einen Kollegen zu schicken (weil sie nicht mehr wußte, wer der Kollege war), sie stellt sich einer Dame vor, mit der sie gerade mal 5 Minuten zuvor ein kurzes Gespräch geführt hat, sie setzt sich in den volle Hörsaal in die Reihe der Schüler und wartet geduldig auf den Vortragenden, ohne zu ahnen, dass SIE die Vortragende ist usw. Bald wird ihr klar, dass mit ihr etwas nicht stimmt und nach einigen medizinischen Tests, liegt das erschreckende Ergebnis am Tisch: frühzeitiges Alzheimer, eine Erkrankung, die genetisch bedingt ist! Nicht nur, dass sie selbst also sukzessive den Verstand verliert, auch ihre drei Kinder sind…

Großviel gut!

Wir schreiben das Jahr 2018. Der 16jährige Leon Redway führt ein spannendes Leben – er ist Tiefseetaucher und auf Benthos II stationiert, einer Tiefseestation einige hundert Meter unter dem Meer. Dank eines speziellen Anzugs und einer Flüssigkeit, die sich atmen lässt, kann sich Leon tief unter dem Meeresspiegel bewegen – bis dorthin, wo kein Licht mehr vordringt und er sich ganz auf seine Sinne verlassen muss. Wie gut, dass Leon da von einem Kraken begleitet wird – Lucy, ein überaus intelligentes Tier, mit dem Leon mental kommuniziert. Zwar sind Lucy’s Sätze manchmal etwas verschroben, wenn sie bestimmte Dinge umschreibt (z.b. „großviel gut“), doch ist das Band zwischen den beiden unzertrennlich und von einer tiefen Zuneigung geprägt. Leons Arbeit in der Tiefsee ist verantwortungsvoll, denn er ist auf der Suche nach Manganfeldern, einer Energiequelle von der man sich an der Erdoberfläche eine Alternative zur herkömmlichen Energiegewinnung erhofft. Eines Tages geschehen unterklärliche Dinge im Meer. Tiere, die normalerweise nur in der Tiefsee leben, tauchen an die Oberfläche und großen Teilen eines Gebietes fehlt plötzlich der Sauerstoff im Wasser – ein Umstand, der Leon beinahe das Leben kostet, als er unvermutet in so eine Todeszone eintaucht. Doch nicht nur, dass das Meer verrückt…